Ohrenschmaus – zu Besuch beim guten Ton
TourismusQuizfrage: Wo hat wohl Bela B. sein aktuelles Album aufgenommen, wo ließen Die Sterne, Bernd Begemann und Me and my Drummer einzelne Songs oder ganze Alben aufnehmen? In Hamburg oder Berlin mögen manche mutmaßen. Doch: Weit gefehlt. Allesamt waren sie in Bremen für die Aufnahmen, genauer: in Oberneuland. Hier eröffnete einst Schlagersänger und Komponist Wolfgang „Ronny“ Roloff das Studio Nord. Die hohe Qualität, die er einführte, ist bis heute in der Szene bekannt. Ich durfte mal rein hören.
Ein Mittwochmorgen in der Mühlenfeldstraße 23, ein Gutshof von 1910, eine Klingel mit der Aufschrift „Studio“. Nachdem ich sie gedrückt habe, wird mir die Tür schwungvoll geöffnet, ich werde hereingebeten und Sekunden später stehe ich auch schon im Herzstück des Studio Nord: im alten Tanzsaal, den einst Wolfgang Roloff zum Aufnahmesaal umbaute.
Studio-Betreiber Gregor Hennig bahnt sich seinen Weg durch Instrumente und Mikrofone, steigt über Kabel und steht schließlich vor mir, um mir herzlich die Hand zu schütteln. Umgehend starten wir einen kleinen Rundgang und Gregor erzählt querbeet von aktuellen Aufnahmen, alten Zeiten und noch älteren Geräten, die hier immer noch zu finden sind.
Von früher bis heute
Apropos „alte Zeiten“: Dass sich hier in Oberneuland eines der besten und vor allem ältesten Privatstudios ganz Deutschlands befindet, haben die Bremerinnen und Bremer einem gewissen Wolfgang Roloff zu verdanken. Der Bremer, als Schlagersänger unter dem Namen „Ronny“ bekannt, gründete das Studio Nord Ende der 1960er Jahre. Mehrere Nummer-Eins-Hits in den 1950er Jahren hatten ihn binnen kurzer Zeit bekannt gemacht. Sein erster Hit war das deutsche Cover des amerikanischen Schlagers Oh, My Darling, Clementine – die Dame hieß in der deutschen Version allerdings Caroline (aber in englischer Aussprache). Seine sonore Stimme war noch einige Male in den Radios und auf Platten zu hören, bevor er sich in den 1960ern zunehmend Produzenten-Aufnahmen widmete und schließlich vor allem als Komponist arbeitete. Der gelernte Tontechniker richtete zunächst ein Tonstudio in den Kellerkneipenräumen eines Hotels in der Bremer Innenstadt ein. „Das musste jeden Abend wieder vor Kneipenbeginn abgebaut werden“, erzählt mir Gregor Hennig lachend und ein bisschen staunend. Ende der 1960er Jahre zog das Studio dann nach Oberneuland in die Räume eines alten Gasthofs und Tanzlokals in der Mühlenfeldstraße.
Der Schlagersänger Ronny wich dem Musikproduzenten und -komponisten Wolfgang Roloff. Letzterer schrieb auch den Song „Sierra madre del sur“, mit dessen Cover die Schürzenjäger Ende der 80er Jahre einen großen Hit landeten und der auch von anderen Musikgrößen etliche Male gecovert wurde. Außerdem machte Roloff den Kinderstar Heintje für den deutschen Markt zugänglich.
Als Wolfgang Roloff 2011 im Alter von 81 Jahren verstarb, hinterließ er also ein ganzes Stück Musikgeschichte. Seine Hinterbliebenen wünschten sich, dass dieses Erbe weiter geführt würde und so kamen Oliver Sroweleit und Gregor Hennig in das Studio Nord. Als erfahrene Produzenten und Tontechniker brachten sie nicht nur eine ganze Menge Know-How mit, sondern auch so einige namhafte Größen, die seitdem in Oberneuland ihre Platten aufnehmen und produzieren.
Sounds from the past
Lange Rede, kurzer Sinn: Wolfgang Roloff richtete sich mit dem Studio Nord Aufnahmeräumlichkeiten ein, die bis heute für hohe Qualität stehen. Dabei gleicht ein Gang durch das Studio einer Zeitreise. Mikrofone aus allen möglichen Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts kommen hier nach wie vor zum Einsatz. Sie fangen Klänge von heute in ihrem altersgemäßen Sound ein. Im Regieraum mit riesigem Mischpult und allerlei Aufnahmegeräten mit Rädchen, Hebeln und Reglern findet sich ebenfalls durchaus noch der Charme alter Zeiten. Die Sitzecke zum Ausruhen oder Besprechen gleicht einem Wohnzimmer der 1960er/70er Jahre mit stilechter Tapete und Couch zum Versinken.
Im Nachbarraum steht sogar noch das alte Mischpult von Wolfgang Roloff. Er war, wie mir Gregor erzählt, einer der ersten, der den Plattenfirmen fertig gemasterte Bänder anbieten konnte. Das war selten und sprach für Qualität und Roloffs Anspruch. Dies erkannte übrigens auch Rudi Carrell, der alle Lieder für seine Sendungen bei Radio Bremen im Studio Nord produzieren und aufnehmen ließ.
Auf dem Boden geblieben
Nach dem Rundgang setzen wir uns in der Küche zu einem Gespräch zusammen. Hier bekochte schon vor gut 30 Jahren der Studiogründer immer mal wieder Musiker und Tontechniker. Gregor, der Wolfgang Roloff in den 1990er Jahren auch persönlich kennen gelernt hat, beschreibt den Produzenten und Komponisten als großherzig, freundlich und gemütlich. Nie habe er irgendwelche Starallüren oder Missgunst ausgestrahlt. Auch sein Mitstreiter Bernd Steinwedel, der im Laufe der 80er Jahre zunehmend die technischen Aufgaben übernahm, war stets entspannt und trotz klarer Schlagertendenz auch offen für das Mastern ganz anderer Musik wie beispielsweise Punk, den Gregor damals produzierte. „Irgendwie wirkten die beiden immer wie zwei freundliche Herren, denen der Ruhm nie zu Kopf gestiegen ist“, fasst Gregor zusammen.
Schlager hin oder her
Wir kehren noch einmal zurück ins Studio. Hier spielt sich gerade die Band The Wake Woods aus Berlin warm, die bei meiner Ankunft noch in der Küche beim Frühstück war. Ich darf Fotos machen, während sie einen ihrer Songs einspielen.
Meine ungeschulten Ohren bilden sich ein, die Qualität des Sounds sofort zu erkennen. Vielleicht sind sie aber auch ein bisschen froh, nicht dem Schlager ausgesetzt zu sein, der hier früher produziert wurde. Beim Verlassen des Studios klingen mir die verzerrten Gitarrensounds, der Bass und der Schlagzeugbeat noch nach. Nichtsdestotrotz hab ich irgendwie auch die tragenden Rhythmen einstiger Schlagerhits im Ohr. Dass ich diesem Genre ansonsten eher fremdelnd gegenüberstehe, ist mir an dieser Stelle dank Wolfgang Roloff egal. Schließlich hat der hier in Oberneuland einen Teil Musikgeschichte geschrieben.
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