Briefe aus Vietnam: Ausgabe Dezember 2019
InternationalesInformationen und Wissen rund um Wirtschaft und Investitionen in Vietnam
Vietnam ist eines der am stärksten wachsenden Länder der Welt. Es bietet für exportorientierte Unternehmen einen sich stark entwickelnden Markt und viele ungeahnte Chancen.
Aus Ho-Chi-Minh-Stadt berichtet Huong Thi Hoang, Direktorin unseres Bremeninvest-Büros, und gibt alle vier Monate einen Überblick über Trends, Chancen und neue Entwicklungen im Land.
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Unsere Themen im Dezember:
Warum eigentlich Vietnam? Ein Land zündet den Turbo
Vietnam ist eine der am stärksten wachsenden Volkswirtschaften der Welt und das schon seit Jahrzehnten. Gleichzeitig ist das Land nach wie vor eine sozialistische Republik – wie passt das zusammen?
Seit den richtungsweisenden „Doi Moi“-Reformen 1986 ist in Vietnam der klassische Sozialismus einer „Market economy following a socialist orientation“ gewichen, also quasi einem Kapitalismus mit sozialistischem Einschlag. Die kommunistische Partei hält nach wie vor die Zügel der Macht, sowohl in der Wirtschaft als auch im öffentlichen Leben – eine Reihe von Reformen erlaubt jedoch deutlich größere Freiheiten, wenn es um das Verfolgen eigener Geschäftszwecke geht.
Zwar gibt es nach wie vor Tausende Staatsunternehmen, Fünf-Jahres-Pläne, Preisvorgaben und einige Sektoren unter vornehmlicher Staatskontrolle (Versorgung, Banken, Telekommunikation), große Teile der Wirtschaft, vor allem im Handel, sind jedoch für den Markt geöffnet, auch für ausländische Investitionen (wenn auch unter Auflagen). Ziel der Regierung ist es, Marktökonomie da zuzulassen, wo sie der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes hilft – diese Auslegung ist natürlich Sache der Regierung.
Der Grund für den enormen wirtschaftlichen Aufschwung des Landes ist aber nicht nur in der Liberalisierung des Binnenmarkts zu suchen. Durch eine fortschreitende Öffnung nach außen dank zahlreicher internationaler Verträge – jüngstes Beispiel etwa die Unterzeichnung eines EU-Freihandelsabkommens – ist das Land attraktiv für ausländische Investoren. Lohnkosten sind nur halb so hoch wie in China, weshalb das Land ein Mekka für die produzierende Industrie ist. Zudem investiert Vietnam konsequent in öffentliche Infrastrukturen und Humankapital, um die Attraktivität für ausländische Investoren zu erhöhen – so entwickelt sich gerade eine Digitalwirtschaft mit zahlreichen Start-ups.
Die Maßnahmen zeigen ihre Wirkung: Von einem der ärmsten Länder der Welt ist Vietnam in die Riege der Länder mit mittlerem Wohlstandsniveau angekommen (Platz 130 von 214, Stand 2017). Exporte machen beinahe 100 Prozent des Bruttoinlandprodukts aus – ein Großteil des Wohlstands ist auf den Exportsektor und damit auf die Aktivitäten ausländischen Investoren zurückzuführen.
Wo Licht ist, da ist aber auch Schatten: Korruption ist Teil des Wirtschaftslebens (im weltweiten Ranking nimmt Vietnam Platz 117 von 180 ein). Netzwerke spielen eine große Rolle, über Parteimitglieder in Nicht-Staatsunternehmen wird nach wie vor Einfluss auf die Wirtschaft ausgeübt. Und während sich die wirtschaftlichen Standards enorm verbessert haben, sind Pressefreiheit und Menschenrechte unterentwickelt. Ob und inwieweit Reformen auch in Zukunft für eine Verbesserung des Lebensstandards führen werden, bleibt damit eine der spannendsten Fragen des Landes.
Start-up-Reise: Bremen auf Tuchfühlung in Asien
Direkt eintauchen, aus erster Hand die Dynamik Asiens erfahren: Das war Ziel der Bremer Start-up-Reise Singapur+Vietnam des MO1N Startup Camps im November 2019. „Die Unterschiede beider Länder zu erleben, war sehr beeindruckend. Singapur ist High-Tech, Vietnam noch eher ein Schwellenland, aber mit vielen jungen Menschen die Drive haben, die voranpreschen und was verändern wollen“, sagt Organisator und Gründer André Wollin. „Gerade der IT-Bereich ist in Vietnam im Kommen. In den nächsten Jahren wird das Land einen großen Sprung machen.“
15 Teilnehmende besuchten acht Tage lang beide Länder und sammelten jede Menge Eindrücke. Auf der Agenda standen Konferenzen und vor allem Besuche bei Start-ups, wie etwa dem Zahlungsdienstleister MoMo oder dem Logistik-Start-up Logivan im vietnamesischen Ho-Chi-Minh-City. Im März 2020 treffen sich die Reisemitglieder mit Interessierten sowie geladenen Gästen der Partnerländer, um über die Erlebnisse zu sprechen und Kontakte zu intensivieren. Mehr dazu: https://www.moin.camp
MoMo und der digitale Goldrausch
Vietnam ist, verglichen mit seinen asiatischen Nachbarn, noch eine Bargeldgesellschaft: Nur 59 Prozent der Vietnamesinnen und Vietnamesen haben ein Konto. Bargeldzahlungen haben einen fast doppelt so großen Anteil am Transaktionsvolumen bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt wie in China. Aber diese Zahlen verändern sich schnell und eine ganze Reihe an Start-ups versucht, vom digitalen Goldrausch zu profitieren.
Eines der größten ist MoMo mit seinen 13 Millionen Nutzern. Die App bietet mobile Zahloptionen, Geldtransfers sowie ein E-Wallet mit dem es möglich ist, bei 12.000 Partnern und an über 100.000 Punkten zu zahlen – sowohl online als auch offline. Es ist zudem Partner der größten Banken im Land wie auch von Versorgern, Versicherungen oder Shoppinganbietern, sodass dank der App jede mögliche Zahlung vorgenommen werden kann. Mit einem Investment von über 100 Millionen Euro durch einen amerikanischen Risikokapitalgeber Anfang des Jahres gehört das Unternehmen zu den wertvollsten Start-ups Vietnams.
Das Zahlen per App ist komfortabler und einfacher als das Führen eines Kontos, was gerade in ländlichen Regionen Vietnams künftig für einen starken Zuwachs an bargeldlosen Zahlungen sorgen könnte.
Auch wenn MoMo der größte Zahlungsanbieter im Land ist, der einzige ist er bei weitem nicht: Beinahe 30 Unternehmen sind dieser Branche zuzuordnen, darunter auch ZaloPay, der Payment-Service der Kommunikationsapp Zalo. Über 100 Millionen Nutzer zählt Zalo in Asien und hat damit ein riesiges Potenzial, weitere Kunden für seinen Zahldienst zu gewinnen. Es ist damit eine „Superapp“, also eine App, die verschiedene Anwendungen innerhalb der eigenen Umgebung ermöglicht, ganz ähnlich zum chinesischen Wechat.Aber auch MoMo ist auf dem Weg, zur Superapp zu werden, das Unternehmen baut seinen eigenen Dienst stetig aus. Wer von den zahlreichen Anbietern am Ende übrig bleibt, werden die kommenden Jahre zeigen. Klar ist aber: Mobilem Zahlen gehört auch in Vietnam die Zukunft.
In Vietnam wachsen: Der Incubator der AHK Vietnam
In einen neuen Markt einzusteigen erfordert nicht nur finanzielle Ressourcen – auch Marktkenntnis und Präsenz sind gefragt. Der German Business Incubator der Deutschen Außenhandelskammer Vietnam soll eine Keimzelle für deutsche Unternehmen mit Interesse am Asiengeschäft, speziell natürlich Vietnam, werden. Im prestigeträchtigen Deutschen Haus in Ho-Chi-Minh-City angesiedelt, bietet es neben modernen Büroräumlichkeiten regelmäßige Veranstaltungen und Netzwerktreffen, die den Start in dem fernen Land erleichtern sollen. Dazu gehören etwa Workshops zu Kulturunterschieden zwischen Vietnam und Deutschland oder Möglichkeiten, das eigene Geschäftsmodell auszubauen oder Fachkräfte zu finden. Der Incubator richtet sich auf 340 Quadratmetern an Mittelständler sowie Start-ups, mit einer Mischung aus Einzelbüros, Coworkingflächen und Meetingräumen.
Junge Vietnamesinnen und Vietnamesen für Deutschland begeistern
Vietnam strebt nach Bildung – jedes Jahr wollen Hunderttausende Schülerinnen und Schüler ein Studium beginnen. Einige von ihnen für ein Studium in Deutschland zu begeistern war Ziel einer Vietnam-Reise der Universität Bremen sowie der Hochschule Bremen im Dezember 2019.
„In Vietnam gibt es eine hohe Affinität zu Deutschland – auch historisch bedingt. Mir sind dort offene Menschen mit Interesse an hochwertiger Ausbildung begegnet“, berichtet Dr. Annette Lang, Leiterin des International Office der Universität Bremen. Besonders die bremischen naturwissenschaftlichen Studiengänge (MINT) stünden hoch im Kurs, denn Branchen wie die wachsende Digitalwirtschaft Vietnams locke viele junge Erwachsene mit attraktiven Arbeitsplätzen und Aufgaben.
Neben Besuchen in Hanoi und Ho-Chi-Minh-City standen auch Treffen mit Vertretern deutscher Auslandsinstitutionen wie dem WFB-Auslandsbüro, Alumni oder Kontakte zu Unternehmen auf der Agenda. Ziel der Reise war es, ein Netzwerk aufzubauen, das Vietnamesinnen und Vietnamesen für ein deutsches Studium begeistert und zu weitergehender Zusammenarbeit – wie zum Beispiel Praktika im Rahmen des Studiums – anregt. „In der universitären Ausbildung in Asien fehlt oft der praktische Anteil – deshalb sind wir als Hochschule sehr attraktiv als Kooperationspartner vietnamesischer Bildungsinstitutionen“, erklärt Dr. Heike Tauerschmidt, Leiterin des International Office der Hochschule Bremen. „Vietnam ist im Aufbruch und es gibt eine starke junge Generation, die sehr diszipliniert ist. Wir haben bereits gute Erfahrungen gemacht und hoffen, diese in Zukunft weiter ausbauen zu können.“
Der nächste Vietnam-Newsletter erscheint im April 2020.
Kolja Umland
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