
In Badeseen sind sie nicht gerne gesehen: Blaualgen sorgen dort in heißen Sommern regelmäßig für Badeverbote, weil sie in zu hoher Konzentration für Badende gefährlich werden können. In der Raumfahrt gelten die Mikroorganismen mit dem Fachbegriff Cyanobakterien dagegen als Allround-Talente. Sie entwickeln bei der Fotosynthese Sauerstoff, und mit ihrer Hilfe lassen sich Biokraftstoffe herstellen, da sie aus der Luft Kohlendioxid fixieren. Wegen ihres hohen Proteingehalts und der enthaltenen Vitamine können sie zudem als wertvolle Nährstoffquelle dienen. „Auf der Basis von Cyanobakterien können wir ganz viele unterschiedliche Verbrauchsgüter produzieren“, sagt Dr. Cyprien Verseux vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen. „Für zukünftige Weltraummissionen und längere Aufenthalte auf anderen Planeten sind sie darum enorm interessant.“ Zum Beispiel für Mars-Missionen.
Im Zentrum der Forschungen steht das menschliche Überleben auf dem Mars
Mars-Missionen hat der 29-jährige Astrobiologe, der vor seinem Umzug nach Bremen die französisch-italienische Forschungsstation Concordia in der Antarktis leitete, bei seinen Forschungen vor allem im Sinn. Der Rote Planet hat für ihn schon länger eine wichtige Bedeutung: Von August 2015 nahm er für ein Jahr zusammen mit fünf internationalen Kolleginnen und Kollegen an einer simulierten Mars-Langzeitmission auf dem Vulkan Mauna Loa auf Hawaii teil. In einer 100 Quadratmeter großen Wohneinheit führte das Team wissenschaftliche Experimente durch und testete, welche Dynamiken und Probleme in einer langfristig von der Außenwelt abgeschotteten Gruppe entstehen. Die Erfahrungen mit extremen Isolationen sowohl in der Antarktis als auch auf Hawaii machen ihn in Corona-Zeiten auch zum gefragten Experten in Fragen der Psycho-Hygiene.
Eine in Bremen entwickelte Anlage hilft bei der Forschung
Um die Forschung an den Cyanobakterien voranzutreiben, hat Verseux am Bremer ZARM ein neues Labor für angewandte Raumfahrt-Mikrobiologie aufgebaut. Dessen Herzstück ist eine besondere Anlage: Ein „Unterdruck-Photobioreaktor“, den der Franzose eigens zur Erforschung der Blaualgen entwickelte. „Da werden wir uns demnächst noch einen besseren Namen ausdenken“, sagt er und grinst, „das klingt noch etwas sperrig.“ Mit der Anlage lassen sich Mikroorganismen außerhalb ihrer natürlichen Umgebung kontrolliert züchten und vermehren.