Wohnraum für den Mond
Luft- und RaumfahrtBremer Wissenschaftler entwickeln eine Anlage, in der Menschen fern der Erde leben und arbeiten können
Wenn das von der europäischen Raumfahrtagentur ESA geplante „Moon Village“ Realität werden soll, brauchen die menschlichen Mondsiedler Wohnraum, in dem sie leben können. Wichtige Grundlagen dafür könnten aus Bremen kommen. Ein Team vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) hat begonnen, ein Habitat zu konstruieren.
Mars-Mission: Von der Außenwelt abgeschottet
Vom Bett in die Küche, vom Bad ins Labor, vom Laufband zum Esstisch: Nie war der Weg länger als ein paar Schritte. Mit dem Leben auf engstem Raum und in unwirtlicher Umgebung kennt sich Dr. Christiane Heinicke vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen aus. Ein Jahr lang wohnte die Geophysikerin mit fünf internationalen Kolleginnen und Kollegen auf dem Vulkan Mauna Loa auf Hawaii, um dort wichtige Erfahrungen für mögliche Mars-Missionen zu sammeln. In der Steinwüste teilte sich das Team von August 2015 bis August 2016 eine rund 100 Quadratmeter große Wohneinheit, führte wissenschaftliche Experimente durch und stand dabei unter ständiger Beobachtung.
Danach: Erstmal ein Bad
Im Mittelpunkt der simulierten Mars-Langzeitmission stand die Frage, welche Dynamiken und Probleme entstehen, wenn eine Gruppe langfristig derart abgeschottet von der Außenwelt und eng zusammenlebt. „Einen Lagerkoller hatten wir nicht“, berichtet die 32-Jährige. „Aber es gab schon ein paar Konflikte, die immer wieder hochgekommen sind. Die Menschen sind einfach unterschiedlich und haben unterschiedliche Meinungen, und manchmal lässt sich das eben nicht miteinander in Einklang bringen.“ Nach dem Jahr wieder zurück im normalen Leben gönnte sie sich als Erstes ein Bad im Pool – und frische Himbeeren.
Neben zwischenmenschlichen Faktoren hatte auch die Architektur Einfluss auf das psychische Wohlbefinden. Ihre gesammelten Erkenntnisse hierzu bringt Heinicke nun in ein neues Projekt ein. Am Bremer ZARM baut sie mit ihrem Team eine Wohnanlage, die später auf dem Mond oder dem Mars einsetzbar sein könnte.
Abschirmung gegen kosmische Strahlung
„Bremen als Raumfahrtstandort ist prädestiniert dafür, ein solches Habitat zu entwickeln“, sagt Heinicke, die nach Studien- und Berufsstationen im thüringischen Ilmenau, in Schweden, Finnland und eben auf Hawaii nun an die Weser gezogen ist. Während bisher gebaute Anlagen, in denen Versuche zum Zusammenleben in außerirdischen Umgebungen durchgeführt wurden, in erster Linie psychologischen Studien und Trainingszwecken dienten, soll im aktuellen Projekt MaMBA (Moon and Mars Base Analog) nun erstmals der technische Aspekt im Zentrum stehen. „In der Vergangenheit hatten entsprechende Habitate grundlegende technische Mängel. Die wollen wir beseitigen“, erläutert die Wissenschaftlerin. So bestanden bereits konzipierte Wohn- und Arbeitsräume üblicherweise aus einem zusammenhängenden Komplex, was zum Beispiel im Fall eines Feuers fatale Folgen hätte, da die Bewohner nirgendwohin ausweichen könnten. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Entwickelung einer Abschirmung gegen kosmische Strahlung, da Letztere andernfalls zu schweren gesundheitlichen Problemen führen würde.
Labormodul macht den Anfang
Welche Form sollte die Anlage idealerweise haben? Welches Material ist am besten geeignet? Wie müssen die Räume ausgestattet sein, damit die Bewohner darin optimal arbeiten können und sich zugleich wohlfühlen? Fragen wie diese sind es, die Heinicke und ihr Team während der zweieinhalbjährigen Projektlaufzeit beantworten wollen. Geplant ist die Konstruktion unabhängiger Module, die durch ein Schleusensystem miteinander verbunden sein sollen. „Wir fangen an mit einem Labormodul, in dem sich biologische, geologische und vielleicht auch chemische Experimente durchführen lassen“, berichtet die 32-Jährige. „Dafür arbeiten wir eng mit unterschiedlichen Wissenschaftlern zusammen, um zu erfahren, was sie brauchen und welche Versuche auf dem Mond oder auf dem Mars interessant sein könnten.“ Aktuell sind Architekten und Ingenieure mit dem Design beschäftigt. Die Projektleiterin hofft, dass das erste Modul bis zum Ende des von der Klaus Tschira Stiftung geförderten MaMBA-Projekts fertig gebaut und komplett ausgerüstet sein wird. „Ich gehe davon aus, dass beim ersten Mal noch nicht alles optimal gelingt. Für die kommenden Module können wir dann aus unseren Erfahrungen lernen und die Anlage weiter verbessern.“
Identische Form, unterschiedliche Ausstattung
Geht es nach ihr und ihrem Team, soll es danach mit den weiteren Bausteinen der Anlage weitergehen. Da jedes Modul gleich aussehen wird, lassen sich die Außenhüllen vergleichsweise schnell nachbauen, lediglich die Luftschleusen werden sich im Design stark von den restlichen Modulen unterscheiden. Für zunächst vier weitere geplante Einheiten müssen die Wissenschaftler dann „nur noch“ die Inneneinrichtung entwerfen: für die Küche, die Schlafzimmer, das Lager inklusive Werkstatt sowie für ein multifunktionales Modul, in dem Gewächshaus und Sportgeräte untergebracht werden sollen.
Auch gewünscht: Raum zum Entspannen
Auf ihrem Wunschzettel hat Heinicke außerdem noch einen sechsten Baustein, nämlich einen Freizeitraum mit großem Fenster. „Der ist zum Überleben zwar nicht zwingend notwendig“, sagt sie. „Aber wenn man sich dort länger als drei oder vier Monate aufhält, braucht man einen Raum zum Entspannen – auf der Erde würde da zum Beispiel ein Sofa stehen.“ Aus ihrer Zeit in der hawaiianischen Einöde bringt sie die Erfahrung mit, dass die Räume möglichst hoch sein sollten: „Es ist sehr hilfreich nicht das Gefühl zu haben, dass einem die Decke auf den Kopf fällt.“ Nur in den Arbeitsmodulen sollen Zwischendecken eingezogen werden, um so die Grundfläche von jeweils rund 20 Quadratmetern mit einer zweiten Etage doppelt nutzbar zu machen.
Beitrag zur Besiedlung von Himmelskörpern
Und auch wenn das in Bremen entwickelte Habitat die Erde wahrscheinlich nie verlassen wird: Christiane Heinicke ist guter Dinge, mit ihrer Arbeit einen Beitrag zu leisten, die Besiedlung ferner Himmelskörper wieder ein Stück realistischer zu machen. „Ich gehe nicht davon aus, dass unsere Anlage in exakt jedem Punkt so übernommen wird“, meint sie. „Aber wenn Teile davon tatsächlich eines Tages auf dem Mond oder dem Mars zum Einsatz kommen sollten, wäre das schon ein toller Erfolg.“
Pressekontakt:
Birgit Kinkeldey, ZARM, Universität Bremen, Tel.: +49 421 21857755, E-Mail: birgit.kinkeldey@zarm.uni-bremen.de
Annika Czurgel, ZARM, Universität Bremen, Tel.: +49 421 21857825, E-Mail: annika.czurgel@zarm.uni-bremen.de
Weitere Informationen zum Luft- und Raumfahrtstandort Bremen finden Sie hier auf unserer Seite.
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