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14.8.2018 - Jann Raveling

Die mobile Werkstatt für Windparks

Windenergie

REETEC GmbH gründet ein Offshore-Servicezentrum für die Nordsee in Emden.

Blick in die Produktionshallen in Emden
Blick in die Produktionshallen in Emden © OBE

Auf rund 7.000 Betriebsstunden kommt eine Offshore-Windkraftanlage im Jahr. Eine hohe Belastung für das Material – für das Getriebe, den Generator, die Blattlager und die Rotorblätter. Werden sie nicht regelmäßig gewartet, kommt es zu Ausfällen. Und die werden schnell teuer. Ein Tag Stillstand kostet schnell zehntausend Euro oder mehr pro Anlage. In einem großen Windpark stoppt im Durchschnitt jeden Tag eine Anlage.

Diesen kostspieligen Stillstand wollen sich Betreiber nicht leisten. Sie wollen so schnell es geht den Regelbetrieb wiederherstellen. Reparaturmannschaften in den Park zu bringen, ist aber gar nicht so einfach. Das liegt insbesondere an der Wetterabhängigkeit: Die Fahrt über die Nordsee zu den Parks auf hoher See dauert mit dem Schiff mehrere Stunden – bei gutem Wetter. Nur an zwei von drei Tagen sind die Bedingungen in der Nordsee gut genug, dass Schiffe ihre Mannschaften sicher auf die Anlagen bringen können. Die Alternative in vielen Parks sind Hubschrauber, die jedoch sehr teuer sind.

Leben und arbeiten auf hoher See

Die Lösung bei Parks fernab der Küste heißt: Zeit sparen und auf hoher See bleiben. Bleibt das Reparaturteam in der Nordsee, kann es Zeitfenster schneller nutzen und spart sich Anfahrtszeiten. In größeren Windparks fahren meistens zwei Schiffe: ein Serviceschiff und ein Errichterschiff - wie etwa im Park BARD Offshore 1, rund 90 Kilometer vor der Küste. Auf ihnen leben Mechaniker, Elektriker und Servicekräfte. Sie sind zwei Wochen im Dauereinsatz, kehren dann in den Heimathafen zurück, um eine neue Mannschaft und neue Ersatzteile aufzunehmen. Neben Schlafplätzen und Kantinen gibt es an Bord in der Regel auch Büros, und Aufenthaltsräume zum Entspannen – ein Hotel an Bord.

Bremer Unternehmen expandiert an die ostfriesische Küste

Für die Wartung der Windturbinen im Park BO1 ist REETEC zuständig. Das Bremer Serviceunternehmen hat im Sommer 2017 das bis dahin zuständige Unternehmen, die Emder OWS Off-Shore Wind Solutions GmbH (OWS), übernommen. Sie wurde 2013 aus der Insolvenzmasse des Windparkanlagenherstellers BARD gegründet, um den Park BO1 instand zu halten. Mehr dazu in unserem Artikel „Die Windparkoptimierer von der Weser“. „Wir sind für den operativen Betrieb im Park zuständig.“, sagt Detlef Lindenau, Geschäftsführender Gesellschafter von REETEC. „Dank der Anlagen und Hallen im Emder Außenhafen haben wir große Kapazitäten. Hinzu kommen die 180 Fachkräfte vor Ort und auf See und der Zugriff auf ein Errichterschiff.“

400 Megawatt auf 60 Quadratkilometern: Der Park BO1 in der Nordsee
400 Megawatt auf 60 Quadratkilometern: Der Park BO1 in der Nordsee © OBE

Erstes unabhängiges Offshore-Servicezentrum in Emden

Und diesen Vorteil möchte Lindenau jetzt nutzen. Der 56-jährige ist Windkraftpionier – bereits 1996 gründete er REETEC. Das Unternehmen wuchs mit der Branche und ist heute international aufgestellt, beschäftigt insgesamt mehr als 350 Mitarbeiter. Jetzt wollen die Windkraftexperten rund um Lindenau dank des Offshore-Geschäfts weiter wachsen. „Wir werden das erste herstellerunabhängige Offshore-Servicezentrum Deutschlands“, sagt Lindenau selbstbewusst.

Seine Vision ähnelt einer freien Werkstätte im KFZ-Bereich. Statt zu einer Vertragswerkstatt zu gehen, die nur einen Autohersteller bedient, kann jeder die freie Werkstatt nutzen. Auf hohe See übertragen heißt das: Mit nur einem geeigneten Schiff – als mobile Werkstatt - können verschiedene Windparks, die alle mit ganz unterschiedlichen Anlagen ausgestattet sind, bedient werden. Denn in der Nordsee stehen Windräder verschiedener Hersteller – Siemens, Vestas, AREVA/Adwen, BARD, Senvion – direkt nebeneinander. Parkübergreifend zusammen zu arbeiten würde Wartungskosten erheblich senken. Das können Hersteller aber nicht leisten, denn für Konkurrenzanlagenbieten sie in der Regel keinen Service.

Win-win-win: Vorteile für alle

Und auch für Betreiber von Windparks hat das neue Servicezentrum Vorteile, so Lindenau. „Braucht jeder Windpark sein eigenes Serviceteam? Wir sagen: Nein! Wir können verschiedene Parks anfahren. Und sind in kürzester Zeit da“, so der Wind-Visionär.

Als herstellerunabhängiges Unternehmen bietet REETEC, wie eine freie Werkstatt, für verschiedene Anlagentypen seine Dienstleistungen an. Das senkt Wartungskosten, verkürzt die Stillstandzeiten erheblich und mindert die Anfahrtskosten.

Für die Anlagenhersteller, die in „ihren“ jeweiligen Parks bisher über Serviceverträge von Wartung und Instandhaltung profitieren, sieht Lindenau ebenfalls Vorteile durch sein neues Geschäftsmodell. „Die Offshore-Technologie machte riesige Fortschritte. Wir gehen davon aus, dass sich viele Hersteller nur ungern um die Instandhaltung von technisch veralteten Maschinen in bestehenden Parks kümmern wollen. Hier kommen wir ins Spiel“, spricht er über die Dienste des Servicezentrums. Ein externer Partner für die Altanlagen, damit sich Hersteller voll und ganz auf lukrative Neuinstallationen konzentrieren können.

Operativ aus Ostfriesland, Steuerung aus Bremen

Lindenau freut sich, mit seinem Konzept der internationalen Konkurrenz ein starkes Signal aus seiner Firmenzentrale in Bremen entgegenzusetzen, von wo aus die meisten Einsätze koordiniert werden sollen. „In der Offshore-Windkraft gibt es noch großes Optimierungspotenzial. Dieses wollen wir bedienen und unsere Aktivitäten ausbauen, mit starken Bremer Partnern“, so Lindenau.


Lesen Sie auch: Wem gehören Windparks in Deutschlands? Darauf haben wir die Antwort!


Näheres zur Windkraft gibt es bei Dieter Voß, Der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen, Abteilung Industrie, Innovation, Digitalisierung, 0421 361-32175, dieter.voss@wah.bremen.de

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