Wenn Forschung und Vermittlung Hand in Hand gehen
Wissenschaft8 Bremer Wissenschaftler:innen aus Kunst, Kultur, Medien & Kommunikation über ihre Tätigkeit
Geballte Kompetenz aus Bremen: Durch das weit verzweigte Netzwerk aus Forschungseinrichtungen gilt die Hansestadt als erstklassiger Standort für Wissenschaft und Technologie. Dabei forschen kluge Köpfe in Bremen abseits vom Elfenbeinturm, denn Wissenschaft und Wirtschaft sind eng miteinander verbunden. Wer sind die Expertinnen und Experten, die an zukunftsweisenden Themen und Technologien arbeiten?
Monatlich stellen wir hier ein Bremer Innovationscluster vor, zuletzt berichteten kluge Köpfe aus Umwelt- und Klimawissenschaften von ihren Ausflügen in die Tiefsee. In der kulturellen Forschungslandschaft sind die Themen breit gefächert: Von Musikpädagogik über digitale Gestaltungsforschung bis zur angewandten Freizeitwissenschaft reicht das Spektrum Bremer Wissenschaftler:innen aus den Bereichen Kunst, Kultur, Medien und Kommunikation. Ein zentraler Aspekt vereint allerdings ihre Tätigkeit – die Vermittlung. Wann Wissensvermittlung zum Erfolg führt und wie sie unser (Zusammen-)Leben nachhaltig prägt: Acht Forschende erzählen aus ihrem Arbeitsalltag.
1. Prof. Dr. Anna Greve
Die Direktorin des Focke-Museums wäre als Kind gerne Piratin geworden. Heute stellt sie am liebsten kritische Fragen, etwa: Wie lässt sich das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte noch offener, experimenteller denken? Dann bleibt vom „Faultier“ der Bremer Wissenschaftsszene nicht mehr viel übrig – denn wenn es um Fortschritt und Veränderung geht, treffe man in Bremen auf einen regen Austausch zwischen Kulturinstitutionen und -politik. Neben ihrer Tätigkeit als Direktorin widmet sich Greve der Kritischen Weißseinsforschung. Dem sensiblen Forschungsthema konnte die Wissenschaftlerin über Jahrzehnte nur mit scharfem Gegenwind nachgehen – über weiße Privilegien zu sprechen, war bisher ihre größte Herausforderung. Aktuell entwickle sich „eine Atmosphäre von ‚das darf man nicht sagen‘, ‚ich traue mich nicht, meine Meinung zu sagen‘, ‚ich bleibe lieber unter meinesgleichen‘“, warnt sie. Warum Menschen über Vorurteile, Stereotype und Ängste miteinander ins Gespräch kommen sollten, erklärt Greve im Interview.
2. Prof. Dr. Renate Freericks
… leitet den deutschlandweit einzigen Studiengang Angewandte Freizeitwissenschaft an der Hochschule Bremen. Auf dem Plan stehen dabei nicht nur Fragen der Gestaltung, etwa zur pädagogischen Freizeit. Die Wissenschaftlerin widmet sich dem Thema auch aus ökonomischer Perspektive und entwickelt zukunftsfähige Konzepte für Freizeit und Tourismus. Ein Forschungsgebiet, das von den Auswirkungen der Corona-Pandemie stark betroffen ist und Freericks vor neue Herausforderungen stellt – nicht nur inhaltlich. Für die Wissenschaftlerin heißt es jetzt: „Nach vorne schauen“. Und: „Eine doppelte Anzahl an Erstsemestern in der Stadt, in der HSB und im Studiengang digital willkommen zu heißen und zu motivieren durchzuhalten.“ Hier geht es zum Interview.
3. Prof. Dr. Peter Schmidt
Mit den Fachgebieten Volkswirtschaftslehre und Statistik passt Professor Schmidt auf den ersten Blick nicht in diese Liste – auf den zweiten erst recht: „Als Volkswirt bin ich der Überzeugung, dass Bildung und Kultur von grundlegender Bedeutung für eine gute Entwicklung der Gesellschaft sind. Nur wenn die Menschen Wissen und Kreativität entwickeln, wird Neues und Zukunftsweisendes entstehen“, so der Wissenschaftler. Konkret bedeutet das für Schmidt, Kultureinrichtungen mithilfe statistischer Untersuchungen zu unterstützen. In der Folge können kulturelle Angebote auf eine Zielgruppe zugeschnitten werden – und diese so besser erreichen. An der Hochschule Bremen leitet er unter anderem den Masterstudiengang Kulturmanagement und schätzt besonders die interkulturellen Erfahrungen, die Studierende hier durch sogenannte „Double Degree“-Studiengänge erleben.
4. Prof. Dennis Paul
Der gebürtige Bremer leitet den Studiengang Digitale Medien an der Hochschule für Künste. Er selbst sieht sich nicht als Wissenschaftler, sondern als Gestalter: Innerhalb des Forschungsfeldes Interaktion und Raum beschäftigt sich Paul zum Beispiel mit „Speculative Design“ – dem Einsatz von Gestaltung, um alternative oder nahe Zukunftsszenarien begreifbar zu machen. Die Bremer Wissenschaftsszene vergleicht er – nach kurzem Grübeln – mit einer Hauskatze. Der Grund bietet Anlass zum Schmunzeln, denn die Hauskatze würde im Vergleich zum Hund, obwohl sie nur die Hälfte dessen Neuronen besitze, als intelligenter wahrgenommen – „dass allerdings auch nur, laut einer Studie, da sie nicht immer das tut was man ihr sagt“, schlussfolgert Paul.
5. Isabell Harder
Sie sorgt dafür, dass Wissen nicht in trockenen Lehrbüchern oder auf vergessenen Internetseiten verstaubt: Isabell Harder ist Wissenschaftskommunikatorin an der Universität Bremen. Der gebürtigen Siegenerin gefällt insbesondere die Verbindlichkeit der Bremer:innen, wenn es darum geht, Ideen umzusetzen. Mit einer Kollegin initiierte sie das Netzwerk Wissenschaftskommunikation Bremen/Bremerhaven, das als Unterstützerin des Formats „SCIENCE GOES PUBLIC!“ die Wissenschaft dorthin bringt, wo sie Menschen in ihrem Alltag erreicht: beim Feierabend-Getränk in der Kneipe. Wirksame Wissenschaftskommunikation fange aber schon viel früher, nämlich bei den ganz Kleinen an – zum Beispiel in der Bremer Kinder-Uni. Von funkelnden Kinderaugen und ansteckendem Forschungsgeist erzählt die Wahlbremerin im Interview.
6. Prof. Dr. Barbara Stiller
Auch diese Wissenschaftlerin kümmert sich um den jüngsten Nachwuchs: Die Professorin für Instrumentalpädagogik, Elementare Musikpädagogik und Musikvermittlung leitet das Institut für musikalische Bildung in der Kindheit (ImBiK) der Hochschule für Künste Bremen. Dass Musizieren die Zufriedenheit steigern kann und Menschen dabei hilft, Stress zu verarbeiten, zeigen die Forschungsergebnisse von Mediziner:innen und Neurolog:innen. Wie lassen sich diese Erkenntnisse in die Praxis übertragen? Mithilfe von Methoden wie der strukturierten Beobachtung entwickelt Stiller neue Konzepte für die Musikvermittlung. Die Wissenschaftlerin berichtet von einer Arbeit, in der Spontaneität und Schlagfertigkeit gefragt sind – und auch mal Ohnmachtsgefühle aufkommen können.
7. Dr. Kerstin Haller
Im September 2000 eröffnete das Universum Bremen: Die Wissens- und Erlebniswelt dreht sich rund um die Themen Mensch, Technik und Natur – Anfassen und Ausprobieren der zahlreichen Exponate sind hier ausdrücklich erwünscht. Besucher:innen können zum Beispiel auf einem mit Nägeln übersäten Hocker oder auf dem Erdbebensofa Platz nehmen. Als Dr. Kerstin Haller von dem neuartigen Ausstellungsprojekt hört, absolviert sie gerade ein Volontariat am Deutschen Museum in München. Spannend genug, um zurück nach Bremen zu kehren – zuvor hatte Haller in der Hansestadt bereits eine Station für ihre Promotion eingelegt. Als Verantwortliche für Dauer- und Sonderausstellungen sowie ausstellungsbegleitende Programme motiviert sie Besucher:innen dazu, die Welt mit offenen Augen zu sehen. Besonders erfolgreich klappt das laut Haller, wenn sich Berührungsängste mit der Wissenschaft á la „Das verstehe ich ja sowieso nicht“ hin zu einer neugierigen Haltung verändern.
8. Prof. Dr. Andreas Hepp
… ist Sprecher des Zentrums für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) an der Universität Bremen. Hätte er einen Stand auf dem traditionsreichen Bremer Volksfest, dem Freimarkt, wäre dieser überladen mit Mediengeräten, die immer häufiger und immer tiefgreifender unseren Alltag bestimmen – Smartphones, Smartwatches, Tablets sowie zahlreiche weitere digitale Helfer. „Aber wollen wir wirklich die schöne neue Datenwelt in der Form, wie sie uns derzeit angeboten wird?“, fragt sich der Wissenschaftler. Welche langfristigen Veränderungen die Mediennutzung bewirkt, ist ein zentraler Aspekt seiner Forschung. Über die Universität Bremen sagt er: „Ich kenne in Deutschland keine Universität, an der man so flexibel forschen kann und dabei so umfassend und konstruktiv unterstützt wird. Das hält hier.“
Erfolgsgeschichten
Prof. Dr. Karen Struve ist Professorin für Frankoromanistik an der Universität Bremen. In ihrem Forschungsfeld beschäftigt sie sich unter anderem mit postkolonialen Literatur- und Kulturtheorien sowie mit den Narrativen der Angst und der weltweiten Anxiety Culture. Was Karen Struve an ihrer Arbeit besonders begeistert, verrät sie bei „Wissenschaft persönlich".
Mehr erfahrenSeit 2018 setzen die Themenjahre in Bremen innovative Impulse für Stadtmarketing und regionale Wirtschaftsförderung. Sie stärken den Tourismus in der Hansestadt und fördern vielseitige Kooperationen. WFB-Projektleiterin Kristina Brandstädter weiß, was das Bremer Modell erfolgreich macht und welche Ansätze andere Städte nutzen können.
Mehr erfahrenVor seiner Pensionierung war er wissenschaftlicher Geschäftsführer des Instituts für Interkulturelle und Internationale Studien sowie Leiter des Arbeitsbereich Wahlen und Parteien am Institut für Politikwissenschaft. Heute engagiert er sich beim Hannah Arendt Institut für politisches Denken und führt außerdem seine Forschung im Bereich "Regieren und Politik in Bremen" fort.
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