Die Zukunft der Weltmeere sichern
WissenschaftWie Wissenschaft und Politik zur Nachhaltigkeit beitragen können – Auftaktkonferenz mit EU-Wissenschaftlern und Politikvertretern in Bremen
Ozeanversauerung, Überfischung, der Abbau von Ressourcen in der Tiefsee: Der Einfluss des Menschen auf die Weltmeere ist groß. Wie kann angesichts der Gemengelage die Zukunft der Ozeane nachhaltig gesteuert werden? Um sich darüber auszutauschen, kommen Anfang März Wissenschaftler und Politikgestalter aus 24 Nationen in Bremen zusammen. Handeln ist gefragt.
Die Situation ist komplex: Ozeane sind ein grenzenloser Raum, in dem regionale Schutzzonen nur begrenzte Wirkung haben. Alles ist „im Fluss“, zugleich verfolgen Akteure auf der ganzen Welt vielfältigste Verwertungsinteressen: Die Meere werden von großen Fangflotten und lokalen Ein-Mann-Unternehmen befischt, andernorts mit Abwasser, Schadstoffen und Müll belastet. Naturschützer kämpfen für den Erhalt des Lebensraums, während der Abbau von Rohstoffen am Meeresboden im Fokus der Interessen von Nationen und Industrien steht – dank immer neuer Technologien. Bei all dem ist wissenschaftlich erwiesen: Die Meere haben eine tragende Rolle im globalen Klimageschehen. Wie kann Politik bei dieser Gemengelage einen verantwortungsbewussten Umgang global wie regional definieren und steuern?
„Es geht um globale Verantwortung“
Es ist eine Frage, mit der sich zunehmend auch Sozial- und Kulturwissenschaftler beschäftigen – so wie Professorin Dr. Anna-Katharina Hornidge. Die Bremer Sozialwissenschaftlerin hat selbst viel in Südostasien geforscht, seit 2015 ist sie am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) Leiterin der Abteilung Sozialwissenschaften tätig und an der Universität Bremen. Im Rahmen eines von der EU geförderten Projekts will sie nun als Koordinatorin dazu beitragen, die Weichen in die richtige Richtung zu stellen. „Wir leben in einem globalen, vom Menschen geprägten Kontext und müssen uns mit den ökologischen Grenzen unseres Planeten auseinandersetzen. Es geht um globale Verantwortung.“ Die 38-Jährige ist überzeugt: „Wissenschaft hat hier eine Rolle, sie leistet einen wichtigen Beitrag.“
Wissenschaft und Politik an einem Tisch
Genau darum soll es gehen, wenn am 6. März rund 90 Fachleute aus den 24 beteiligten Nationen des EU-Projekts „Ocean Governance for Sustainability” („Meerespolitik/-steuerung für Nachhaltigkeit“) zu einer dreitägigen Auftaktkonferenz im Bremer Haus der Wissenschaft zusammenkommen. Das Besondere: Nicht vorrangig Naturwissenschaftler, sondern vor allem marine Sozial- und Kulturwissenschaftler werden sich über ihre jeweiligen Forschungen austauschen und mit Politikvertretern an einen Tisch kommen. Nicht Forschungsförderung, sondern die Vernetzung steht an oberster Stelle des Projekts, an dem 86 Institutionen in 24 europäischen Ländern beteiligt sind. Wissenschaftliche Erkenntnisse sollen so in eine nachhaltige europäische und auch nationale Meerespolitikgestaltung einfließen.
Gesellschaften und Verteilungsfragen in den Blick nehmen
Nachhaltigkeit – in den vergangenen Jahren ist das Wort in Mode gekommen, wird fast inflationär genutzt. Sozialwissenschaftler wie Hornidge haben indes eine klare Definition: Nachhaltigkeit ist nicht nur ökonomisch und ökologisch, sondern auch sozial und kulturell zu verstehen.
Alle Bereiche müssen bedient werden. Sonst ist es nicht nachhaltig.
Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge, Leiterin der Abteilung Sozialwissenschaften am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung
Die soziale und die kulturelle Dimension geraten nun zunehmend auch in den Blick der Meeresforscher. „Bisher ist die Meeresforschung sehr naturwissenschaftlich geprägt, der sozial- und kulturwissenschaftliche Blick auf das Meer ist noch extremst unterforscht“, beschreibt Hornidge die Situation. Wie und warum Kulturen und Gesellschaften sehr unterschiedlich mit den Meeren und marinen Ressourcen umgehen, nehmen die Gesellschaftswissenschaften in den Blick. Ihre Analysen können zu einem neuen Ausgangspunkt beitragen für die Frage, wie politische Regelungen zum globalen Schutz der Weltmeere aussehen müssen, damit sie regional wie global funktionieren. Vieles entziehe sich derzeit formellen Steuerungsmechanismen der Politik, so Hornidge. Hier gelte es, wissenschaftlich fundierte Handlungsorientierungen zu entwickeln.
Zwangsläufig geraten damit auch die ganz großen Fragen in den Blick, wie die nach der globalen Verteilung von Ressourcen, nach Gewinnern und Verlierern.
Der Umgang mit den Weltmeeren ist sehr entscheidend für den globalen Frieden und für Völkerverständigung. Ethische Fragen und Verteilungsfragen müssen gestellt und wissenschaftlich fundiert mitgeprägt werden. Viele politische Akteure reiben sich hier.
Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge, Leiterin der Abteilung Sozialwissenschaften am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung
Drängende Problemfelder identifiziert
Um sechs aktuelle Problemfelder soll es auf der Konferenz gehen, darunter der Umgang mit Tiefseeressourcen, Klimawandel und Ozeanversauerung, Fischereimanagement, Ernährungssicherheit und die Frage, wie regionale Schutzzonen wirkungsvoll implementiert werden können. Dabei werden beispielsweise auch Gäste aus Südostasien erwartet, die über ihre Erfahrungen mit einem koordinierten und seit längerem etablierten Küstenmanagement berichten.
Hornidge: „Eine Schneekugel anschieben“
Vier Jahre lang fördert die Europäische Union das Projekt im Rahmen des „Cost Action“-Programms mit 500.000 Euro. Am Ende soll ein funktionierendes Netzwerk stehen. Und, so Hornidge: „Die Grenzen zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft sollen überschritten werden.“ Ihr persönliches Ziel formuliert die Professorin so: „Eine Schneekugel anschieben, die dann hoffentlich Fahrt aufnimmt. Ich wäre extrem zufrieden, wenn wir in drei Jahren absehen können, dass das Netzwerk sich verstetigt hat und dann weiter arbeitet.“
Teil dieses Netzwerks sollen übrigens auch zivilgesellschaftliche Organisationen sein. Ein erster Schritt wird auch in dieser Hinsicht in Bremen gemacht: Der zweite Konferenztag endet mit einer öffentlichen Veranstaltung im Übersee-Museum. „Die breite Öffentlichkeit zu erreichen, ist uns wichtig“, betont Anna-Katharina Hornidge. Viel hat sie auf der Agenda. Aber auch Mitstreitende aus ganz Europa.
Pressekontakt: Andrea Daschner, Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT), Tel. 0421 23800 72, andrea.daschner@leibniz-zmt.de
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