2,5 Millionen Euro Preisgeld
Antje Boetius arbeitete bereits in Hamburg, Kalifornien, Warnemünde und ist heute Leiterin einer gemeinsamen Arbeitsgruppe des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven und des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen. An der Universität Bremen ist sie am Exzellenzcluster MARUM beteiligt und lehrt Geomikrobiologie – die Wissenschaft von Mikroorganismen, die die Stoffkreisläufe der Erde beeinflussen. Boetius hat für ihre Forschungen an Methan abbauenden Bakterien am Meeresgrund 2009 den Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft erhalten, die höchste deutsche Auszeichnung für Wissenschaftler. Die 2,5 Millionen Euro Preisgeld konnte sie in ihre neuen Forschungen in der Arktis stecken.
Sie führt über die Flure des Bremer Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in ihr Professorenbüro. Eine Art Goldmedaille liegt auf dem Rand des Regalbrettes über dem Tischchen. In einem papierenen Futteral glänzt die Auszeichnung der französischen Gesellschaft für Ozeanographie. Knapp darüber legt Kanzlerin Angela Merkel zufrieden die Hände ineinander. Das Foto zeigt den Deutschen Wissenschaftsrat bei seinem letzten Treffen bei der Bundeskanzlerin. Er ist das wichtigste wissenschaftspolitische Beratungsgremium in Deutschland. Mittendrin steht die Bremer Professorin. Mit anderen Worten: Professor Antje Boetius hat es weit hinauf geschafft in der nationalen und internationalen Wissenschaft.
Sie sitzt nun auf ihrem Bürostuhl und lächelt vergnügt. Routiniert und lebendig erzählt sie aus ihrem Wissenschaftlerinnenleben. Für sie gehört Wissenschaft in die Öffentlichkeit, in vielen Artikeln wird ihre Arbeit vorgestellt, auch im Fernsehen und Hörfunk. 2011 hat sie mit ihrem Vater, dem Schriftsteller Hennig Boetius, das Buch „Das Dunkle Paradies“ heraus gebracht, ein herrlich zu lesender Schmöker über die Entdeckung der Tiefsee, halb Forschungsbericht, halb Abenteuerroman, mit Fotos seltsamer Tiefseewesen. „Sie lieben das Meer, Kapitän?“ lautet die Frage, die Jule Verne in „20.000 Meilen unter dem Meer“ an Käpt‘n Nemo stellen lässt. Und Nemo antwortet natürlich: „O ja, ich liebe es.“ Boetius zitiert diese Stelle in ihrem Buch. Das dürfte viel über sie sagen.
Unbekannte Welten
Die Tiefsee. Hier leben seltsame Kreaturen. Einige sind wunderschön anzuschauen, wie der sogenannte “Gespensteroktopod” Caspar, über den Autun Purser, Antje Boetius und ihr Team gerade einen Artikel veröffentlicht haben. Dieser kleine Oktopus legt nur wenige Eier an Schwämme, die an Manganknollen wachsen und brütet sie Jahre lang aus. Manche Tiere sehen weniger attraktiv aus wie der „Blobfisch“ genannte Psychrolutes marcidus, der 2013 sogar zum „hässlichsten Tier der Welt“ gekürt wurde. Er lebt in 1.000 Meter Tiefe zum Beispiel an den Kontinentalabhängen von Tasmanien oder Australien. Oder der Tiefseeanglerfisch Caulophryne, ein Tier wie aus einem Horror-Comic mit fiesem Blick, riesigem bezahnten Maul und jeder Menge Tentakeln. Er braucht mindestens 300 Meter Wassertiefe und lockt dort seine Opfer mit einer Art Laterne an, um seine Beute zu verspeisen. Kein Wunder, dass sich Forscher für solche Kreaturen interessieren, so exotisch, wie sie aussehen.
Dabei gibt es nicht nur diese wenigen, seltsamen Fische ganz unten im Meer. Sondern in dem irdischen Lebensraum von 400 Millionen Quadratkilometern Meeresboden, über dem 1,3 Milliarden Kubikkilometer Wasser schwappen, tummelt sich Leben in ungezählter Vielfalt. „In den Jahren 2000 bis 2010 gab es eine Art Volkszählung der Meere“, berichtet Boetius. „Da haben wir Wissenschaftler 30 Millionen Beobachtungen zur Verteilung von Lebewesen im Meer in unsere internationale Datenbank eingetragen, dabei 6.000 neue Arten gefunden. Daraus können wir hochrechnen, dass es noch an die 10 Millionen verschiedener unbekannter Arten in den Ozeanen gibt.“ Hier helfen neue molekulare Methoden, denn einige Arten können sich äußerlich sehr ähnlich sein, aber ganz andere Funktionen und Verteilungen im Meer zeigen.