Karriere mit Tiefgang: Prof. Dr. Antje Boetius liebt es kalt und duster
Maritime Wirtschaft und LogistikKarriere mit Tiefgang
Die Bremer Meeresbiologin Antje Boetius taucht tief hinab in die Weltmeere und hat es damit in der Forschungslandschaft weit gebracht. Für ihre Arbeit erhielt sie 2009 die höchstdotierte deutsche Forschungsauszeichnung, den Leibniz-Preis, und 2014 den Wissenschaftspreis der Hector-Stiftung. 2018 gewann sie zuletzt den Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Zuletzt wurde sie in mehrere internationale Akademien gewählt. Ein Besuch im Bremer Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie.
2,5 Millionen Euro Preisgeld
Antje Boetius arbeitete bereits in Hamburg, Kalifornien, Warnemünde und ist heute Leiterin einer gemeinsamen Arbeitsgruppe des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven und des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen. An der Universität Bremen ist sie am Exzellenzcluster MARUM beteiligt und lehrt Geomikrobiologie – die Wissenschaft von Mikroorganismen, die die Stoffkreisläufe der Erde beeinflussen. Boetius hat für ihre Forschungen an Methan abbauenden Bakterien am Meeresgrund 2009 den Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft erhalten, die höchste deutsche Auszeichnung für Wissenschaftler. Die 2,5 Millionen Euro Preisgeld konnte sie in ihre neuen Forschungen in der Arktis stecken.
Sie führt über die Flure des Bremer Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in ihr Professorenbüro. Eine Art Goldmedaille liegt auf dem Rand des Regalbrettes über dem Tischchen. In einem papierenen Futteral glänzt die Auszeichnung der französischen Gesellschaft für Ozeanographie. Knapp darüber legt Kanzlerin Angela Merkel zufrieden die Hände ineinander. Das Foto zeigt den Deutschen Wissenschaftsrat bei seinem letzten Treffen bei der Bundeskanzlerin. Er ist das wichtigste wissenschaftspolitische Beratungsgremium in Deutschland. Mittendrin steht die Bremer Professorin. Mit anderen Worten: Professor Antje Boetius hat es weit hinauf geschafft in der nationalen und internationalen Wissenschaft.
Sie sitzt nun auf ihrem Bürostuhl und lächelt vergnügt. Routiniert und lebendig erzählt sie aus ihrem Wissenschaftlerinnenleben. Für sie gehört Wissenschaft in die Öffentlichkeit, in vielen Artikeln wird ihre Arbeit vorgestellt, auch im Fernsehen und Hörfunk. 2011 hat sie mit ihrem Vater, dem Schriftsteller Hennig Boetius, das Buch „Das Dunkle Paradies“ heraus gebracht, ein herrlich zu lesender Schmöker über die Entdeckung der Tiefsee, halb Forschungsbericht, halb Abenteuerroman, mit Fotos seltsamer Tiefseewesen. „Sie lieben das Meer, Kapitän?“ lautet die Frage, die Jule Verne in „20.000 Meilen unter dem Meer“ an Käpt‘n Nemo stellen lässt. Und Nemo antwortet natürlich: „O ja, ich liebe es.“ Boetius zitiert diese Stelle in ihrem Buch. Das dürfte viel über sie sagen.
Unbekannte Welten
Die Tiefsee. Hier leben seltsame Kreaturen. Einige sind wunderschön anzuschauen, wie der sogenannte “Gespensteroktopod” Caspar, über den Autun Purser, Antje Boetius und ihr Team gerade einen Artikel veröffentlicht haben. Dieser kleine Oktopus legt nur wenige Eier an Schwämme, die an Manganknollen wachsen und brütet sie Jahre lang aus. Manche Tiere sehen weniger attraktiv aus wie der „Blobfisch“ genannte Psychrolutes marcidus, der 2013 sogar zum „hässlichsten Tier der Welt“ gekürt wurde. Er lebt in 1.000 Meter Tiefe zum Beispiel an den Kontinentalabhängen von Tasmanien oder Australien. Oder der Tiefseeanglerfisch Caulophryne, ein Tier wie aus einem Horror-Comic mit fiesem Blick, riesigem bezahnten Maul und jeder Menge Tentakeln. Er braucht mindestens 300 Meter Wassertiefe und lockt dort seine Opfer mit einer Art Laterne an, um seine Beute zu verspeisen. Kein Wunder, dass sich Forscher für solche Kreaturen interessieren, so exotisch, wie sie aussehen.
Dabei gibt es nicht nur diese wenigen, seltsamen Fische ganz unten im Meer. Sondern in dem irdischen Lebensraum von 400 Millionen Quadratkilometern Meeresboden, über dem 1,3 Milliarden Kubikkilometer Wasser schwappen, tummelt sich Leben in ungezählter Vielfalt. „In den Jahren 2000 bis 2010 gab es eine Art Volkszählung der Meere“, berichtet Boetius. „Da haben wir Wissenschaftler 30 Millionen Beobachtungen zur Verteilung von Lebewesen im Meer in unsere internationale Datenbank eingetragen, dabei 6.000 neue Arten gefunden. Daraus können wir hochrechnen, dass es noch an die 10 Millionen verschiedener unbekannter Arten in den Ozeanen gibt.“ Hier helfen neue molekulare Methoden, denn einige Arten können sich äußerlich sehr ähnlich sein, aber ganz andere Funktionen und Verteilungen im Meer zeigen.
Fleißige Mikroben
Der Grund, warum Boetius den Leibniz-Preis bekommen hat, ist ein buchstäblich winziger. Die Geomikrobiologin hat fleißige Mikroben entdeckt, die schon seit langer Zeit das Klima der Erde stabilisieren. „Diese kleinen Zellen sind faszinierend“, sagt Boetius, „sie halten die Erde gesund.“ Denn sie verzehren das Methan, dass im Ozeanboden entsteht und ein starkes Treibhausgas ist, sobald es die Atmosphäre erreicht. Könnte dieses Methan nicht schon im Meeresboden abgebaut werden, wäre es sehr heiß auf der Erde. Boetius hat sich lange mit den nützlichen Mikroorganismen beschäftigt. Die von ihr erstmals per Mikroskop entdeckten kleinen Wohltäter sitzen im Meeresboden. Es sind verschiedene Arten, die miteinander kooperieren, um Energie aus Methan zu gewinnen ohne dabei Sauerstoff zu nutzen. Im Wissenschaftslatein nennt man das die „anaerobe Oxidation von Methan“.
Klar, dass diese Entdeckung enormen Wert hat. Mit ihren Arbeiten trage Boetius zum Verständnis eines bedeutenden Prozesses im globalen Klimakreislauf bei, begründeten die Juroren des Leibniz-Preises ihre Wahl. Dass die Fachwelt Boetius Arbeiten zu würdigen weiß, zeigen auch die Fördergelder, die die Professorin und ihre Arbeitsgruppe alljährlich einwerben: „Wir sind 60 Leute im Team, und setzen jährlich mehrere Millionen Euro um, denn wir benutzen Forschungsschiffe und Tiefseetechnologien.“ 2012 erhielt sie vom Europäischen Forschungsrat 3,4 Millionen Euro, um die Bakterien in der arktischen Tiefsee untersuchen zu können.
Das jüngste Ziel: die Arktis
In 2014 wurde ihre Idee zu einem innovativen Ozeanobservatorium in der Arktis mit 25 Millionen gefördert, das Infrastrukturprogramm “FRAM – Frontiers in Marine Arctic Monitoring”. Damit wollen deutsche Wissenschaftler gemeinsam mit ihren internationalen Partnern eine ganze Armada von Forschungsgeräten einsetzen: Fotografierende Roboter, Hydrophone, Kammern, die die Atmung von Lebewesen im Meeresboden messen, Planktonkameras und Verankerungen für eine Vielzahl von Sensoren, auch solche für Salzgehalt und Temperatur.
Durch die Erwärmung der Luft wird auch der Ozean wärmer und das Eis weniger – dadurch verändert sich der Lebensraum der arktischen Arten.
Prof. Dr. Antje Boetius. Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie
Die Forscher wollen erreichen, den arktischen Wandel vom Meereis bis in die Tiefsee zu dokumentieren und zu erforschen.
Das Schiff, mit dem sie dafür „ins Eis“ fährt, läge praktisch vor der Haustür, wenn es nicht so viel in den Polarmeeren unterwegs wäre: Die „Polarstern“ vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. „Wir haben mit der Polarstern eines der besten Forschungs-Eisbrecher der Welt zur Verfügung“, sagt die Wissenschaftlerin. An über 45 internationalen Expeditionen rund um den Globus hat sie teilgenommen und ist dabei in abenteuerlich engen U-Booten zum Meeresgrund hinabgetaucht, um Proben zu nehmen. „Zwei Monate im Jahr bin ich auf Forschungsfahrt“, sagt Boetius.
Unendlich viel gibt es da unten also zu entdecken. „Dieses Meer will einfach nicht enden“, schreibt Jules Verne in „Reise zum Mittelpunkt der Erde“. Dasselbe gilt für die Arbeit von Antje Boetius.
Mehr unter: www.mpi-bremen.de/Antje_Boetius.html
Pressekontakt: Prof. Dr. Antje Boetius. Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Tel.: 0421 – 202 88 60, E-Mail: aboetius@mpi-bremen.de
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