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15.3.2016 - Marlis Torka

Bremer Ingenieure tüfteln am Elektro-Antrieb der Zukunft und entwickeln einen Antrieb mit Radnabenmotor

Automotive
Fraunhofer-Demonstratorfahrzeug Frecc0 2.0 auf dem ATP-Prüfgelände in Papenburg.
Fraunhofer-Demonstratorfahrzeug Frecc0 2.0 auf dem ATP-Prüfgelände in Papenburg. © Fraunhofer/Ingo Daute

Das klassische Auto sei letzten Endes nichts anderes als eine Kutsche – nur um einiges schneller, sicherer, komfortabler. Eine Aussage, mit der sich das Fraunhofer IFAM in Bremen nicht zufrieden gibt und an Radnabenmotoren forscht, die ein Neudenken ermöglichen.

Das oben genannte Zitat stammt von Felix Horch, Leiter der Abteilung "Elektrische Antriebe" am Bremer Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM. Er ergänzt: "Anstatt der angespannten Pferde lauern die Pferdestärken heute unter der Motorhaube: der Antrieb vorne, die Last hinten. Damals wie heute. Genau da setzen wir an und denken einen Schritt weiter. Wer sagt, dass im Gegensatz zum Großteil der heute genutzten Autos der Antrieb nicht ans Rad selber gehöre?" Im Verbundprojekt "FSEM II – Systemforschung Elektromobilität" widmet sich das Team von Horch genau dieser Frage. Auf den Punkt gebracht geht es um luftgekühlte Radnabenmotoren, die das Potenzial besitzen, elektrische Antriebe in ganz neuen Zusammenhängen zu denken.


Der Eigeninitiative der Fraunhofer-Institute sei Dank

Mit Ehrgeiz und einer guten Portion Motivation treiben Horch als Projektkoordinator und Prof. Dr.-Ing. Matthias Busse, Institutsleiter des Fraunhofer IFAM, das Thema in Bremen an. Nachdem das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) noch mit 34 Millionen Euro geförderte Vorgängerprojekt FSEM I 2011 endete, entschied man sich weiterzumachen. Denn man war sich einig, dass die Kompetenzen, die im Zuge von FSEM I aufgebaut wurden, und die zahlreichen Themen, die nach 22 Monaten Projektlaufzeit identifiziert wurden, nicht in der Versenkung verschwinden durften. "Bei FSEM I war das IFAM für die Entwicklung eines Radnabenmotors und den Aufbau des Fraunhofer Konzeptfahrzeugs FRECCO verantwortlich. Für dieses Testfahrzeug haben wir hier am Standort Bremen zahlreiche Komponenten entwickelt. Unsere Vision war aber schon damals nachhaltig gedacht und längerfristig angelegt", so Horch. "Deswegen entschieden wir uns 2012 - trotz der fehlenden Folgefinanzierung seitens des BMBF - das Projekt zusammen mit 15 weiteren Fraunhofer-Instituten auf eigene Faust fortzuführen."

Damit war der Weg für FSEM II frei und der Grundstein gelegt für den Ausbau der bis dato aufgebauten Kompetenzen und Netzwerke der Fraunhofer-Institute auf dem Gebiet der Elektromobilität.


Fraunhofer IFAM mit federführender Rolle bei FSEM II

Seit Anfang 2013 bedienen im Verbundprojekt FSEM II 16 Fraunhofer-Institute unter einem Projektdach innovative Forschungsthemen der Elektromobilität. Dazu zählen die Cluster Antriebsstrang/Fahrwerk, Batterie/Range Extender sowie Bauweisen/Infrastruktur. Die Projektleitung und Koordination hat das Fraunhofer IFAM in Bremen übernommen. Das Potenzial dieses Verbundprojekts ist, wie Pressesprecherin Martina Ohle zu berichten weiß, groß: "Mit Hybrid- und Elektrofahrzeugen kommen neue Lösungen mit elektrischen Antrieben zum Einsatz. In allen Anwendungsbereichen, beispielsweise der Automobiltechnik oder der Landmaschinentechnik, stehen elektrische Antriebe den Herausforderungen der Energieeffizienz, Leistungs- und Drehmomentsteigerung, Kostensenkung und Zuverlässigkeit gegenüber."

Die Abteilung "Elektrische Antriebe" am Fraunhofer IFAM konzentriert sich daher mit einem interdisziplinären Team auf die gesamte Entwicklungskette von der Konzeption bis hin zur Herstellung, Prüfung und Applikation von prototypischen Antrieben. Luftgekühlte Radnabenmotoren böten hier die Möglichkeit, Kosten und Energieverbrauch von Elektrofahrzeugen durch den Wegfall von Komponenten des klassischen mechanischen Antriebsstranges zu senken. Zugleich vergrößern diese das Platzangebot im Fahrzeug und ermöglichen die Realisierung aktiver Fahrsicherheitskonzepte durch unabhängige Drehmomenteinstellung an jedem angetriebenen Rad.


Die interdisziplinäre Zusammenarbeit als Erfolgsgarant

Als 2009 das Projekt startete, bewegte sich das Fraunhofer IFAM teilweise auf unbekanntem Terrain. "Wir hatten Spitzenkräfte und viel Know-how auf dem Gebiet der Fertigungstechnik, doch die Forschung im Bereich der elektrischen Antriebe war für uns neu. Dieser Herausforderung haben wir uns gestellt – und dies sehr erfolgreich. Wir haben neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Bremen geholt und uns das Wissen angeeignet, mit dem wir uns über die letzten Jahre hinweg eine Vorbild-Funktion im nationalen Umfeld erarbeitet haben. Natürlich sind wir nicht das einzige Forschungsinstitut, das sich auf dem Gebiet der angewandten Forschung mit dem Thema Elektromobilität auseinandersetzt, doch das IFAM verknüpft die Fertigungstechnik mit elektrischen Antrieben auf eine sehr spezielle Weise, da wir beide Bereiche in einem Institut interdisziplinär zusammenbringen", so Horch.

Eines der wichtigsten Merkmale der Systemforschung sei der offene und bereichsübergreifende Austausch. Dieser sei auch ein wesentliches Merkmal der Philosophie der Fraunhofer-Gesellschaft, ergänzt ihn Ohle: "Wir denken nicht nur Forschung und Praxis zusammen, wir vernetzen auch aktiv unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im IFAM und mit denen anderer Institute." Vier bis fünf Abteilungen des IFAM arbeiten bei FSEM II eng zusammen, was den interdisziplinären Austausch ungemein fördere und von dem jeder einzelne Mitarbeiter profitiere.


Es gibt noch viel zu erforschen

"Unser Ziel ist ganz klar der Ausbau der Verknüpfung von elektrischen Antrieben und der Fertigungstechnik", so Horch. Dazu gehöre auch, dass sie am Standort in Bremen an der Systemforschung zum Thema Elektromobilität dran blieben. Lohnen tut es sich allemal. Aus Sicht von Horch werden sich Elektromobilität wie auch Hybridfahrzeuge mit der Zeit über alle Automobilhersteller hinweg durchsetzen. Radnabenmotoren böten hier als eine Komponente einige Vorteile: Sie sind einfach konstruiert, bestehen nur aus wenigen Bauteilen, sind zuverlässig und haben keinen Verschleiß – ein Vorteil gegenüber Verbrennungsmotoren. "Die Entwicklung und Optimierung der Fertigungs- und Produktionstechnik von Elektrofahrzeugen und ihren Komponenten ist und bleibt für die Zukunft relevant – sowohl aus Sicht der Forschung als auch der konkreten Anwendung. Die Frage, auf die wir mit unserer Arbeit eine Lösung finden möchten, ist daher, wie wir die Bauart günstiger, sicherer und zuverlässiger machen können", fasst Horch zusammen.


Zukunftsweisende Ideen könnten Realität werden

Im Zuge dessen wären neuartige Konzepte für Elektrofahrzeuge möglich. Vorstellbar wäre je nach Nutzungskontext zum Beispiel ein modulares Baukastensystem. Horch lässt hier seinen Gedanken freien Lauf: "Plane ich einen Ausflug mit der Familie, käme das Familien-Modul zum Einsatz. Plane ich einen Transport von Möbelstücken, setzt man ein anderes Modul auf die Karosserie. Dies ließe sich im Besonderen gut im Kontext von Carsharing realisieren. Auch einer radikalen Neugestaltung des Autos stünde so nichts mehr im Wege." Dies sei zwar alles noch Zukunftsmusik, doch eines steht bereits fest: Ziel müsse immer die Maximierung des Kundennutzens sein, so Horch. Und das IFAM leiste hierfür mit FSEM II einen wichtigen Beitrag.


Die Forschung wird weitergehen

Ob es nach Ende von FSEM II eine dritte Projektreihe geben kann, wird aktuell ausgelotet. Doch schon jetzt sei klar: Die Themen Elektromobilität und smart cities bleiben eine Schwerpunktarbeit des Fraunhofer IFAM. "Eine der großen Leistungen der Fraunhofer-Institute war es schon immer, auf aktuelle Anforderungen und Nachfragen aus der Gesellschaft zu reagieren, relevante Themen zu prüfen, um dann darauf basierend neue Forschungsprojekte anzustoßen und dieser Linie bleiben wir auch nach Ende von FSEM II treu", ergänzt Ohle.

Man habe 2009 einen neuen Weg eingeschlagen, der sich als richtig erwiesen habe. Die FSEM-Projekte seien demnach sehr gute Beispiele für die angewandte Forschung der Fraunhofer-Institute, bei der es um die Entwicklung neuer Technologien, Prozesse und Verfahren geht, die in der Praxis Anwendung fänden. Mittlerweile führe der Know-how-Vorsprung der Mitarbeiter dazu, dass die IFAM-Kompetenzen auf dem Gebiet der Elektromobilität verstärkt von Unternehmen nachgefragt und eingekauft werden. "Wir helfen die Technologien effizient zu nutzen. Das ist der große Mehrwert, den die Fraunhofer-Institute insgesamt erbringen: die Verbindung von Forschung und konkreter Anwendung. Auch über ein Projektende hinaus", so Ohle.



Weitere Informationen zum Thema Automotive gibt es bei Jörg Kautzner, Tel.: 0421 361-32172, joerg.kautzner@wah.bremen.de

Warum Bremen ein bedeutender Automobilstandort sowohl in Forschung als auch Wirtschaft ist, erfahren Sie auf der Übersichtsseite Automotive

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