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23.11.2020 - Astrid Labbert

Teilen statt hüten

Wissenschaft

Bremer bauen nationale Infrastruktur für Gesundheitsforschungsdaten mit auf

BIPS-Direktorin Iris Pigeot wirkt an einer Mammutaufgabe mit: der Aufbau einer nationalen Forschungsdateninfrastruktur für Gesundheitsstudien.
BIPS-Direktorin Iris Pigeot wirkt an einer Mammutaufgabe mit: der Aufbau einer nationalen Forschungsdateninfrastruktur für Gesundheitsstudien. © WFB/ "Thomas Kleiner, GfG/Gruppe für Gestaltung"

Auf Daten schnell zugreifen können: Covid-19 zeigt, wie entscheidend das in einer Pandemie sein kann. Das gilt auch für andere Erkrankungen. Deshalb wird bundesweit eine zentrale Forschungsdateninfrastruktur personenbezogener Gesundheitsdaten aufgebaut. Bremer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler machen mit.
 
Der Forschungsantrag war schon eingereicht, da begann die erste Corona-Welle. Für die Direktorin des Bremer Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS), Professorin Dr. Iris Pigeot, war sofort klar: Genau jetzt müsste greifen, was sie gemeinsam mit anderen erst entwickeln will - eine nationale Infrastruktur aus Forschungsdaten mit personenbezogenen Gesundheitsdaten. Wer forscht wo zu Covid-19? Wer hat welche Ergebnisse gewonnen - und wie? Wenn diese Daten, einheitlich erhoben, anderen Forschenden zentral zugänglich gemacht werden könnten, wäre das immens hilfreich. Denn es wäre dann möglich, schneller Präventionsmaßnahmen zu entwickeln – im Fall Covid-19 etwa einen Impfstoff.

„Ein Traum, den wir jetzt angehen“

Noch sieht die Realität anders aus: Es gibt kein zentrales Register, an das Gesundheitsstudien gemeldet werden. Vereinfacht gesagt: „Daten werden in Studien gesammelt, aber niemand weiß davon“, erklärt die Bremer Professorin. Das inzwischen bewilligte Forschungsprojekt „NDFI4Health“ soll das jetzt ändern. In der nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) für Gesundheit („for Health“) sollen personenbezogene Gesundheitsdaten aus epidemiologischen und klinischen Studien sowie Untersuchungen zum Gesundheitswesen zusammenfließen und der gesamten Forschung dienen. Das Ziel: geteilte Daten, zentral und sicher zur Verfügung gestellt, zudem wiederverwendbar. „Es ist ein Riesenunterfangen“, sagt Iris Pigeot, die Co-Sprecherin des ausführenden Konsortiums ist, „und es ist ein Traum, den wir jetzt angehen.“ Dieser Traum wird durch die Digitalisierung möglich. „Jetzt haben wir die technischen Möglichkeiten. Es wäre fahrlässig, sie nicht zu nutzen.“

Vernetzte Gesundheits- und Umweltdaten sollen Zusammenhänge offenlegen

Derzeit investieren Bund und Länder fachübergreifend in die Entwicklung der nationalen  Forschungsdateninfrastruktur. Eine Mammutaufgabe, aber auch eine, die echte Chancen berge, so Iris Pigeot: So könnten eines Tages etwa vernetzte Gesundheits- und Umweltdaten Zusammenhänge offenlegen und helfen, reale Lebensbedingungen zu verbessern. „Und das“, sagt Iris Pigeot, „ist doch eine tolle Zukunftsvision.“

Das BIPS-Gebäude im Technologiepark an der Uni Bremen.
Das BIPS-Gebäude im Technologiepark an der Uni Bremen. © WFB/BIPS

17 Institutionen bundesweit dabei

Der Aufbau der Infrastruktur ist indes komplex und wird Jahre dauern. IT, Datenschutz, Vorgaben für wissenschaftliches Arbeiten: Viele Komponenten müssen miteinander verzahnt werden. Bundesweit arbeiten deshalb nach BIPS-Angaben 17 Institutionen allein an dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft zunächst für fünf Jahre geförderten Projekt, weitere 46 haben ihre Beteiligung zugesichert. Disziplinenübergreifend müssen Standards definiert und etabliert werden. Anschließend beginnt die eigentliche Entwicklung der neuen IT-Infrastruktur, die bestehende Daten vernetzt und nachhaltig zugänglich macht.

Task Force Covid-19

Im ersten Schritt werden jetzt konkrete Anwendungsfälle durchgespielt, aus aktuellem Anlass auch Covid-19. Bremer Forschende am BIPS recherchierten mit Kollegen der Universität Greifswald in den vergangenen Monaten in einer Task Force 225 deutsche Studien zu gesundheitlichen Folgen der Viruserkrankung. Etwa 100 Studien wurden dann genauer angesehen, um detaillierte Informationen von den Studienleitenden zu Erhebungsmethoden zu erhalten. Dies soll helfen, die Daten und ihre Qualität besser einzuschätzen.

Einheitliche Standards müssen entwickelt werden

Pigeot nennt ein einfaches Beispiel: Erhöhte Temperatur gilt als ein Symptom einer Covid-19-Erkrankung. Aber wie genau wurden die Angaben in einer Studie erhoben? Mit welcher Methode wurde die Temperatur gemessen? Um diese Informationen ergänzt, entsteht ein Register, das möglichst schnell einen Überblick über die Datenlage und die Vergleichbarkeit gibt. Parallel nutzt eine weitere Arbeitsgruppe im Projekt die Ergebnisse zur Entwicklung einheitlicher Standards, die später im Idealfall für alle Gesundheitsstudien gelten sollen. Diese dann in Algorithmen festzuschreiben, wird IT-Spezialisten beschäftigen. „Wichtig ist: Die Infrastruktur muss am Ende einfach nutzbar sein“, betont Pigeot. Denn die nachhaltige Dokumentation von Datenerhebungen muss im Forschungsalltag leicht umsetzbar sein.

Zentrales Thema ist der Datenschutz

Ein zentrales Thema wird dabei auch der Schutz der persönlichen Daten sein, die in die Studien einfließen. Bürgerinnen und Bürger sowie Patientenorganisationen sollen am Projekt durch einen Beirat beteiligt werden: „Wir müssen gute Datenschutzlösungen finden, die die Menschen und ihre Rechte schützen“, betont Pigeot. „Gleichzeitig geht es darum, den größtmöglichen wissenschaftlichen Nutzen aus den Daten zu ziehen.“

„Es geht nur zusammen“

Viele Professionen sind an der Entwicklung der Infrastruktur beteiligt, in Bremen neben dem BIPS auch das Fraunhofer-Institut für Digitale Medizin MEVIS und die juristische Fakultät der Universität Bremen. „Es geht nur zusammen“, so Pigeot. In fünf Jahren solle „der Rohbau“ stehen. Einhergehen müsse ein Kulturwandel in den Wissenschaften: Honoriert werden soll künftig, wer seine Daten teilt und nicht nur für sich behält.

Allein die Finanzierung bereitet Iris Pigeot angesichts der notwendigen flächendeckenden Umsetzung Sorge: „Es wird Institute und Universitäten eine Menge Geld kosten, dass andere die Daten nutzen können. Im Moment ist das nicht ausreichend finanziert.“ In den ersten Projektmonaten habe sie aber vor allem eines erlebt: „Bei Corona zeigt sich: Es gibt eine große Bereitschaft, sich zu beteiligen und die eigenen Daten zu teilen.“ Und das stimmt die Professorin zuversichtlich.

Pressekontakt:
Johann-Jesko Lange, BIPS GmbH, Telefon: +49 421 218-56780, E-Mail: press@nfdi4health.de

Bildmaterial:
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Foto 1: BIPS-Direktorin Iris Pigeot wirkt an einer Mammutaufgabe mit: der Aufbau einer nationalen Forschungsdateninfrastruktur für Gesundheitsstudien. Diese könnte künftig in Krisen wie der Corona-Pandemie dafür sorgen, schneller die Lage zu überblicken. © WFB/ "Thomas Kleiner, GfG/Gruppe für Gestaltung"
Foto 2: Das BIPS-Gebäude im Technologiepark an der Uni Bremen. Forscher des BIPS haben mit Kollegen der Universität Greifswald in den vergangenen Monaten 225 deutsche Studien zu gesundheitlichen Folgen von Covid-19 recherchiert.  © WFB/BIPS
 
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