Wenn ein Möbelstück beim Sprachenlernen hilft
Social EntrepreneurshipDas Designstudio weserholz findet Antworten auf gesellschaftliche Herausforderungen
Wer an Design denkt, dem fallen vielleicht teure Schuhe und Kleider ein, der denkt an schlichte Formen, an Bauhaus oder IKEA. Aber im Kern geht es darum, Dingen eine Form zu geben. Im Gegensatz zu Kunst hat Design einen Zweck – wie etwa einen Stuhl zu gestalten, der bequem oder ergonomisch, haltbar oder günstig, praktikabel oder schön ist. Oder alles zusammen.
Aber Design kann noch mehr. Wieviel mehr, das möchten die Co-Gründerinnen und -Gründer Armando Cornejo Chávez, Tanja Engel, Anselm Stählin und Paula Süveges mit ihrem Studio weserholz herausfinden.
In den vergangenen vier Jahren haben sie auf ihre Frage schon eine erste Antwort gefunden, und die lautet: Menschen verbinden.
Voneinander lernen, gemeinsam Ideen umsetzen
In einem mehrfach ausgezeichneten Projekt haben sie jährlich einer Gruppe an Menschen mit Fluchterfahrung neue Perspektiven gegeben. Die jungen Erwachsenen lernten in einer kleinen Werkstatt nebst Unterrichtsraum im Bremer Stadtteil Walle vormittags Deutsch und Mathe und nachmittags das Tischlern und Gestalten von Möbeln. Zudem durchliefen sie eine individuelle Berufsorientierung und erhielten eine enge Begleitung auf ihrem Weg in die Ausbildung, Einstiegsqualifizierung, Arbeit oder auch Schule.
„Es sollte ein ganzheitlicher Ansatz sein, bei dem die Teilnehmenden auch mit ihren Händen einen künstlerisch-gestalterischen Zugang zu ihrem neuen Umfeld finden“, so die Co-Gründerin Paula Süveges. Möbel seien ein Thema, über das sich Menschen kulturübergreifend wunderbar austauschen könnten: „Alle können damit etwas anfangen, eigene Ideen einbringen. Der Möbelbau eignet sich darum besonders gut, um etwas gemeinsam zu machen.“
Jeweils zehn Monate arbeiteten und lernten die Trainees im Projekt. Dabei produzierten sie auch Designmöbel für Auftragsarbeiten mit, die sie zuvor in einem gemeinsamen Prozess entwickelten. Etwa die Möbelserie „Kekendo“ für die WFB, den modularen Stuhl Bintou oder eine aufwändig gestaltete Schuhbox für eine Sneaker-Sonderedition des Sportartikelherstellers Umbro in Zusammenarbeit mit Werder Bremen, die im November 2021 startet.
Sprachen im Arbeitsalltag erlernen
Dabei ging es immer um weit mehr als Unterricht: Argumentation, Diskussion, assoziatives Denken, formale Sprache, räumliche Vorstellungskraft, Zeichnen und handwerkliches Geschick entwickelten die jungen Erwachsenen quasi nebenher.
„Sprache in einem anderen Kontext vermitteln – auf der Arbeit miteinander reden, diskutieren, streiten – ist nochmal etwas ganz anderes als herkömmlicher Unterricht“, so Anselm Stählin, Designer und Mitgründer bei weserholz. Das Werkstatt-Team aus Trainees, Designerinnen und Designern und Lehrenden arbeitete eng zusammen und musste so schnell lernen, in einer gemeinsamen Sprache zu kommunizieren, die nicht für alle ihre Muttersprache war. So können Zeichenstift, Hammer, Säge und Schleifpapier eben auch beim Sprachenlernen helfen.
Und bei noch etwas half die gemeinsame Arbeit: „Design kann Selbstbewusstsein schaffen“, ist Stählin überzeugt. Die jungen Trainees lernten, ihren eigenen Fähigkeiten zu vertrauen, kreativ zu sein und sich über das Design von Holzgegenständen auszudrücken. Damit wurde der Prozess wichtiger als das Ergebnis – das Möbelstück ist ein Mittel zum Zweck. Das Projekt wurde durch die Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa (seit 2023 Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation) aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert.
Aufbruch in neue Gefilde
„In den vergangenen vier Jahren habe ich auch viel für mich gelernt was Design und Formensprache angeht“, zieht Stählin ein positives Zwischenfazit aus seiner Arbeit. Denn: Das junge Designstudio stellt sich neu auf und erweitert seinen Fokus. Die vier wollen jetzt auch mit anderen Institutionen, mit Unternehmen oder Personengruppen gemeinsam Produkte, Orte und Bildungskonzepte gestalten. Ein Designstudio, dass Wert auf Partizipation und Co-Kreation legt, wie sie es ausdrücken.
Co-Kreation meint dabei einen Gestaltungsprozess, bei dem verschiedene Zielgruppen in den Entstehungsprozess eingebunden werden. Etwa die Endkundinnen und Endkunden oder verschiedene gesellschaftliche Gruppen, die ihre eigene Sichtweise einbringen. So entstehen Produkte, die wirklich gebraucht werden.
Das bekräftigt Stählin: „Design muss miteinander stattfinden. Wir glauben, dass eine wertige Gestaltung in der Kommunikation anfängt. Das verlangt unseren Kundinnen und Kunden wie auch unseren Partnerinnen und Partnern einiges ab, aber das Ergebnis ist sehr viel nachhaltiger.“
Bremen idealer Ort für Sozialunternehmen
Gemeinsam mehr erreichen – aus diesem Grund ist weserholz auch Teil von SEND, dem Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland. Gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung Bremen initiierte das Designstudio die Bremer Regionalgruppe des bundesweiten Netzwerks. „Wir wünschen uns mehr Austausch zu anderen Sozialunternehmen – wir haben ein tolles Netzwerk zu Künstlerinnen und Künstlern wie auch Kreativen und wollen unsere Reichweite gern erweitern“, so Stählin.
Denn Sozialunternehmen haben in Bremen ein großes Potenzial, positive Veränderungen mitzugestalten, ist der Designer überzeugt: „Bremen ist ein fruchtbarer Boden, weil hier so viel passiert. Man kann neue Dinge ausprobieren, auch, weil sich alte Strukturen und bauliche Gegebenheiten derzeit enorm verändern. Hier können Sozialunternehmen neue Perspektiven reinbringen und Anstöße für neue Formen des Wirtschaftens geben.“
Video-Reihe "Sozialunternehmen in Bremen"
Teil 1: Joblinge Bremen - Eine zweite Chance für den ersten Job
Teil 2: climb Lernferien - Wenn die Schule in den Ferien weitergeht
Teil 3: Wenn ein Möbelstück beim Sprachenlernen hilft
Teil 4: GemüseAckerdemie - Junges Gemüse erntet junges Gemüse
Teil 5: Der Standort Bremen für Sozialunternehmen
Gemeinsam für Sozialunternehmen in Bremen
Erfolgsgeschichten
Er sorgt dafür, dass sich das Publikum in wenigen Augenblicken in einer Szene orientieren kann: Weit mehr als hundert Filmproduktionen hat der Bremer Szenenbildner Dennis Duis schon begleitet und dabei mit Bildern und Stimmungen die jeweilige Welt geschaffen, in der die Handlung spielt. Eines seiner jüngsten Projekte wurde mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet.
Mehr erfahrenAls Kunstprojekt gestartet, hat sich das Bremer Start-up ooley mit seinen nachhaltigen Designsocken am Markt etabliert. Gestaltet wird in Bremen, produziert wird in Italien, verkauft wird in 150 Geschäften sowie online. Im Sortiment sind auch Sockenmotive mit Lokalkolorit, sei es die Weser oder der Grünkohl.
Mehr erfahrenMit ihren Fotos will sie Emotionen einfangen – ganz ohne Kitsch. Das überzeugt nicht nur ihre Kundinnen und Kunden: Die Bremerin Gianna König wurde in diesem Jahr zu Norddeutschlands bester Hochzeitsfotografin gekürt. Dadurch schaffte sie es bis ins Finale des bundesweiten Wedding King Awards.
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