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22.10.2021 - Jann Raveling

Wenn ein Möbelstück beim Sprachenlernen hilft

Social Entrepreneurship

Das Designstudio weserholz findet Antworten auf gesellschaftliche Herausforderungen

Wer an Design denkt, dem fallen vielleicht teure Schuhe und Kleider ein, der denkt an schlichte Formen, an Bauhaus oder IKEA. Aber im Kern geht es darum, Dingen eine Form zu geben. Im Gegensatz zu Kunst hat Design einen Zweck – wie etwa einen Stuhl zu gestalten, der bequem oder ergonomisch, haltbar oder günstig, praktikabel oder schön ist. Oder alles zusammen.

Aber Design kann noch mehr. Wieviel mehr, das möchten die Co-Gründerinnen und -Gründer Armando Cornejo Chávez, Tanja Engel, Anselm Stählin und Paula Süveges mit ihrem Studio weserholz herausfinden.

In den vergangenen vier Jahren haben sie auf ihre Frage schon eine erste Antwort gefunden, und die lautet: Menschen verbinden.

Voneinander lernen, gemeinsam Ideen umsetzen

In einem mehrfach ausgezeichneten Projekt haben sie jährlich einer Gruppe an Menschen mit Fluchterfahrung neue Perspektiven gegeben. Die jungen Erwachsenen lernten in einer kleinen Werkstatt nebst Unterrichtsraum im Bremer Stadtteil Walle vormittags Deutsch und Mathe und nachmittags das Tischlern und Gestalten von Möbeln. Zudem durchliefen sie eine individuelle Berufsorientierung und erhielten eine enge Begleitung auf ihrem Weg in die Ausbildung, Einstiegsqualifizierung, Arbeit oder auch Schule.

„Es sollte ein ganzheitlicher Ansatz sein, bei dem die Teilnehmenden auch mit ihren Händen einen künstlerisch-gestalterischen Zugang zu ihrem neuen Umfeld finden“, so die Co-Gründerin Paula Süveges. Möbel seien ein Thema, über das sich Menschen kulturübergreifend wunderbar austauschen könnten: „Alle können damit etwas anfangen, eigene Ideen einbringen. Der Möbelbau eignet sich darum besonders gut, um etwas gemeinsam zu machen.“
Jeweils zehn Monate arbeiteten und lernten die Trainees im Projekt. Dabei produzierten sie auch Designmöbel für Auftragsarbeiten mit, die sie zuvor in einem gemeinsamen Prozess entwickelten. Etwa die Möbelserie „Kekendo“ für die WFB, den modularen Stuhl Bintou oder eine aufwändig gestaltete Schuhbox für eine Sneaker-Sonderedition des Sportartikelherstellers Umbro in Zusammenarbeit mit Werder Bremen, die im November 2021 startet.

Drei Arbeitstische von weserholz, jeder mit anderen Funktionen und Features, erleichtern kreatives Arbeiten
Drei Arbeitstische von weserholz, jeder mit anderen Funktionen und Features, erleichtern kreatives Arbeiten © Alexander Fanslau

Sprachen im Arbeitsalltag erlernen

Dabei ging es immer um weit mehr als Unterricht: Argumentation, Diskussion, assoziatives Denken, formale Sprache, räumliche Vorstellungskraft, Zeichnen und handwerkliches Geschick entwickelten die jungen Erwachsenen quasi nebenher.

„Sprache in einem anderen Kontext vermitteln – auf der Arbeit miteinander reden, diskutieren, streiten – ist nochmal etwas ganz anderes als herkömmlicher Unterricht“, so Anselm Stählin, Designer und Mitgründer bei weserholz. Das Werkstatt-Team aus Trainees, Designerinnen und Designern und Lehrenden arbeitete eng zusammen und musste so schnell lernen, in einer gemeinsamen Sprache zu kommunizieren, die nicht für alle ihre Muttersprache war. So können Zeichenstift, Hammer, Säge und Schleifpapier eben auch beim Sprachenlernen helfen.

Und bei noch etwas half die gemeinsame Arbeit: „Design kann Selbstbewusstsein schaffen“, ist Stählin überzeugt. Die jungen Trainees lernten, ihren eigenen Fähigkeiten zu vertrauen, kreativ zu sein und sich über das Design von Holzgegenständen auszudrücken. Damit wurde der Prozess wichtiger als das Ergebnis – das Möbelstück ist ein Mittel zum Zweck. Das Projekt wurde durch die Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa (seit 2023 Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation) aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert.

Aufbruch in neue Gefilde

„In den vergangenen vier Jahren habe ich auch viel für mich gelernt was Design und Formensprache angeht“, zieht Stählin ein positives Zwischenfazit aus seiner Arbeit. Denn: Das junge Designstudio stellt sich neu auf und erweitert seinen Fokus. Die vier wollen jetzt auch mit anderen Institutionen, mit Unternehmen oder Personengruppen gemeinsam Produkte, Orte und Bildungskonzepte gestalten. Ein Designstudio, dass Wert auf Partizipation und Co-Kreation legt, wie sie es ausdrücken.

Co-Kreation meint dabei einen Gestaltungsprozess, bei dem verschiedene Zielgruppen in den Entstehungsprozess eingebunden werden. Etwa die Endkundinnen und Endkunden oder verschiedene gesellschaftliche Gruppen, die ihre eigene Sichtweise einbringen. So entstehen Produkte, die wirklich gebraucht werden.

Das bekräftigt Stählin: „Design muss miteinander stattfinden. Wir glauben, dass eine wertige Gestaltung in der Kommunikation anfängt. Das verlangt unseren Kundinnen und Kunden wie auch unseren Partnerinnen und Partnern einiges ab, aber das Ergebnis ist sehr viel nachhaltiger.“

Bremen idealer Ort für Sozialunternehmen

Gemeinsam mehr erreichen – aus diesem Grund ist weserholz auch Teil von SEND, dem Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland. Gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung Bremen initiierte das Designstudio die Bremer Regionalgruppe des bundesweiten Netzwerks. „Wir wünschen uns mehr Austausch zu anderen Sozialunternehmen – wir haben ein tolles Netzwerk zu Künstlerinnen und Künstlern wie auch Kreativen und wollen unsere Reichweite gern erweitern“, so Stählin.

Denn Sozialunternehmen haben in Bremen ein großes Potenzial, positive Veränderungen mitzugestalten, ist der Designer überzeugt: „Bremen ist ein fruchtbarer Boden, weil hier so viel passiert. Man kann neue Dinge ausprobieren, auch, weil sich alte Strukturen und bauliche Gegebenheiten derzeit enorm verändern. Hier können Sozialunternehmen neue Perspektiven reinbringen und Anstöße für neue Formen des Wirtschaftens geben.“

Gemeinsam für Sozialunternehmen in Bremen

Unter dem gemeinsamen Projekt “Förderung der Solidarischen Wirtschaft, Genossenschaften und Social Entrepreneurship“ vereinen sich Maßnahmen des Starthauses Bremen, der Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung mbH (BIS) sowie der Wirtschaftsförderung Bremen (WFB). Alle haben das gemeinsame Ziel, Bremen als Standort für Sozialunternehmen attraktiver zu machen und die Gründung sowie Ansiedlung dieser Unternehmen zu fördern. Als Teil der Regionalgruppe des Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e.V. (SEND) engagiert sich die WFB für ein engeres Zusammenwachsen der Branche und kooperiert mit Akteuren wie dem Social Impact Lab Bremen.

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