Die Geschichte des Flugzeugbaus in Bremen – Teil 1: 1924 – 1945
Luft- und RaumfahrtChronologie der Luftfahrt in der Hansestadt
Ein Jahrhundert Flugzeugbau in Bremen – die Geschichte beginnt 1924 mit der „Focke-Wulf- Flugzeugbau AG“. Sie markiert den Beginn eines der bedeutendsten Wirtschaftszweige der Hansestadt.
2024 feiert Bremen „100 Jahre Flugzeugbau“ mit einem Jubiläumsjahr. Rund um das Ereignis ziehen sich Aktionen und Events sowohl für das Fachpublikum als auch für interessierte Flugzeugfans aus aller Welt. Die Anfänge des Flugzeugbaus in Bremen sind dabei bescheiden: Zwei Pioniere, fasziniert vom Fliegen, wollen mit eigenen Modellen den Himmel erobern.
Chronologie des Flugzeugbaus in Bremen, 1924 – 1945:
Vorgeschichte bis 1924
1911 begegnet der Bremer Flugzeugpionier Henrich Focke, der sich bereits mit ersten Luftfahrtprojekten befasst hatte, seinem späteren Freund und Geschäftspartner Georg Wulf. Sie bauen die Focke-Kolthoff-Wulf A 5 und anschließend an einer verbesserten Version A 6, werden aber durch den Krieg unterbrochen. Nach dem Krieg entwickeln sie von 1920 bis 1923 ein neues Flugzeug, die A VII „Storch“. Am 6. Mai 1923 wird der Focke-Wulf Eindecker A VII zum öffentlichen Luftverkehr zugelassen. Mit der A VII als Kapital beschließen Henrich Focke und Georg Wulf im Jahr 1923, sich selbständig zu machen. Sie überzeugen im Laufe des Jahres Bremer Kaufleute von namhaften Unternehmen wie der Haake-Beck-Brauerei oder von Kaffee HAG, in das Unternehmen zu investieren.
1924
Zum 1. Januar 1924 steigen Henrich Focke und Georg Wulf in die Führung der „Bremer Flugzeugbau A.G.“ ein, deren Namen daraufhin in „Focke-Wulf-Flugzeugbau AG“ geändert wird und am 2. Januar offiziell den Betrieb startet. Die neue Firma mietet als Werkstatt eine Flugzeughalle auf dem Gelände des 1909 eröffneten Bremer Flughafens an. Erstes Modell ist die A 16, ein Passagierflugzeug mit drei Sitzplätzen und 500 Kilometern Reichweite. Mit ihr werden unter anderem Gäste von Bremen auf die ostfriesischen Inseln geflogen. Bereits Ende des Jahres arbeiten 100 Beschäftigte im Unternehmen.
1926
Das Unternehmen wächst stark und die Räume werden zu klein. Durch ein Darlehen der Bremer Finanzdeputation können die Flugzeugbauer nun ein eigenes Gebäude am Flughafen beziehen. Bereits damals zeigt sich die enge Beziehung zwischen Flugzeugbauindustrie und der Stadt. Eine Beziehung, die bis heute ihre Relevanz behalten hat.
29. September 1927
Georg Wulf stirbt bei einem Crash während eines Erprobungsflugs des Prototyps der F 19a „Ente“. Bereits 1909 hatte Henrich Fockes älterer Bruder Wilhelm ein Reichspatent für ein Flugzeug dieser Bauweise erhalten, bei der das Höhenleitwerk nicht am Heck der Maschine, sondern am Bug angebracht wird. Das Flugzeug erhält zwar eine Zulassung, das Konzept wird aber nicht weiterverfolgt.
30er Jahre
Die Focke-Wulf-Werke werden Teil der Aufrüstungsbestrebungen der Nationalsozialisten. Nach Planungen und Vorgaben des Reichsluftfahrtministeriums (RLM) wächst die Flugzeugindustrie in Bremen stark an, neben dem Stammwerk am Flughafen entstehen weitere Werkstätten in Hemelingen und Hastedt. Die Jahre bis 1933 prägten im Zivilbereich kleine Passagierflugzeuge in sehr konventioneller Bauweise in geringen Stückzahlen mit wechselhaftem kommerziellen Erfolg.
1933
Das ändert sich zu Beginn des Jahres 1933, als der Aufsichtsrat des Unternehmens beschließt, Kurt Tank, der ein Jahr zuvor von den Rohrbach-Werken in Berlin über Augsburg nach Bremen gekommen war, mit der technischen Leitung zu betrauen. Damit ist Henrich Focke entmachtet, der aus der Unternehmensführung ausscheidet. Er bleibt aber zunächst noch im Unternehmen und gründet später in Hoykenkamp bei Delmenhorst das Unternehmen Focke-Achgelis und beschäftigt sich mit der Entwicklung von Hubschraubern.
1934
Neben Focke-Wulf prägt ein zweites Unternehmen die frühen Jahre des Bremer Flugzeugbaus. Als Tochterunternehmen der bremischen AG Weser-Werft startet 1934 die Weser Flugzeugbau GmbH, die im Laufe des Krieges zum zweiten großen Flugzeugbauunternehmen in Bremen aufsteigt, dabei aber vor allem Muster anderer Hersteller im Auftrag fertigt.
1936
Erstflug des Fw 61 in Bremen, des ersten voll funktionsfähigen Hubschraubers der Welt, der in kürzester Zeit zahlreiche Weltrekorde aufstellt. In Serie werden später der Transporthubschrauber Fa 223 Drache (1939) und der Beobachtungs-Tragschrauber Fa 330 Bachstelze (1942) gebaut.
1937
Erstflug der viermotorigen Fw 200 Condor, des ersten zivilen Landverkehrsflugzeugs, das nonstop den Atlantik überquert. Von ihr werden, zunächst für den zivilen, später für den Kriegseinsatz 287 Stück gebaut. Die Maschine mit ihrer schlanken, modern anmutenden Linienform übt bis heute eine große Faszination unter Flugzeugenthusiasten und -enthusiastinnen aus. So groß, dass in Bremen sogar ein Exemplar der Maschine aufwändig von einem Team Ehrenamtlicher seit 2002 restauriert wurde. Sie steht heute auf dem Flughafen Berlin-Tempelhof und ist Teil des Deutschen Technikmuseums.
1938/1939
Der Flugzeugbau beschäftigt in Bremen rund 9.000 Personen und ist damit der zweitgrößte Wirtschaftssektor in der Hansestadt. Die starke Expansion der Unternehmen Focke-Wulf und Weser Flugzeugbau gelingt nur durch Darlehen aus dem RLM, die Unternehmen selbst sind dadurch hoch verschuldet.
Zweiter Weltkrieg
In den Kriegsjahren wächst Focke-Wulf zum zweitgrößten deutschen Luftfahrtkonzern mit mehreren Standorten in Deutschland und den besetzten Gebieten. Wichtigstes Produkt ist das Jagdflugzeug Fw 190, von dem in verschiedenen Varianten ab 1940 19.500 Exemplare gebaut werden. Für die Produktion werden, auch in Bremen, tausende Zwangsarbeiter:innen ausgebeutet. Neben Focke-Wulf spielt auch die Weser Flugzeugbau GmbH eine bedeutende Rolle in der Kriegsproduktion als Lieferant und Auftragsfertiger verschiedenster militärischer Modelle. Auch hier werden Zwangsarbeiter:innen in größerem Umfang eingesetzt. Gegen Ende des Kriegs werden beide Werke größtenteils zerstört.
Quellen:
- Diese Kurzzusammenfassung folgt im Wesentlichen dem Buch „Ein Jahrhundert Luft- und Raumfahrt in Bremen“ von Peter Kuckuk, Hartmut Pophanken, Klaus Schalipp, 2019, Falkenberg.
- Dieser Artikel entstand in freundlicher Zusammenarbeit mit dem Bremer AIRbe e.V. Der Verein bietet auf seinen Webseite eine noch detailliertere Chronologie.
Bisher in der Reihe "100 Jahre Flugzeugbau in Bremen" erschienen:
- Interview mit Joachim Betker, ehemaliger Standortleiter Airbus Bremen
- Die Geschichte des Flugzeugbaus in Bremen – Teil 1: 1924 - 1945
- Die Geschichte des Flugzeugbaus in Bremen – Teil 2: 1952 - 2024
- Airport-Stadt Bremen: Wo Luft- und Raumfahrt zu Hause sind
- Warum Seesterne für Flugzeugentwickler interessant sind
- Die Tausendsassas aus Horn-Lehe
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