Vom Graffiti zur Leinwand
PressedienstWarum der Streetart-Künstler Markus Genesius vom Testbild fasziniert ist
Der Bremer Markus Genesius gilt als einer der wichtigsten Akteure der deutschen Graffiti- und Straßenkunstszene. Obwohl er mittlerweile auch auf Leinwand-Kunst setzt, hat er seine Wurzeln als „WOW123“ nicht aus den Augen verloren.
Als Markus Genesius das erste Mal eine Sprühdose in der Hand hielt, war er etwa 13 Jahre alt. Damals gab es noch keine sozialen Netzwerke: Kein Instagram oder Pinterest, wo er sich die inspirierenden Werke und Ideen anderer Graffitikünstlerinnen und -künstler hätte anschauen können. Seine einzige Inspirationsquelle war ein kurzer Blick, den Genesius auf ein Graffiti bei einem Besuch in München erhaschen konnte. Es war der Beginn einer Zeit, die sein späteres Leben prägen sollte. Heute gilt der Bremer als einer der wichtigsten Akteure der Graffiti- und Straßenkunstszene in Deutschland.
„Es gab damals kaum Graffiti“, erinnert sich der 47-Jährige an seine Jugend. „In Bremen schon gar nicht, die Szene befand sich gerade erst im Aufbau.“ Genesius blieb also nichts anderes übrig, als einfach drauf los zu sprayen. „Ich wusste anfangs nicht mal, dass es in der Bildsprache des Graffitis in erster Linie um Buchstaben geht“, erzählt der Bremer Künstler und muss lachen. Das Schreiben ist der Ursprung und damit einer der wichtigsten Bestandteile des sogenannten „Style Writings“, wie Genesius später erfuhr.
Ein besonderer Instagram-Post mit Reichweite
Als Jugendlicher Mitte der 1980er Jahre von der Breakdance-Welle mitgerissen, startete er seine ersten Zeichen- und Sprayversuche. Einige Werke von damals schafften es mit etwas Verspätung und mit Hilfe des Internets inzwischen zu kleinen Berühmtheiten. So wie eine Skizze mit dem Schriftzug „LL Cool J“ aus den späten 1980er Jahren, die Genesius 2020 bei Instagram postete – und die von dem US-amerikanischen Rapper höchstpersönlich geliked wurde. Als Jugendlicher fühlte er sich zuhause in der Welt des Hip-Hops, die auch auf seine Streetart-Kunstwerke großen Einfluss hatte. Seine Vorbilder? „Der erste deutschsprachige Künstler, der mich wirklich extrem beeindruckt hat und eine Vorreiterrolle hinsichtlich der Rap-Musik eingenommen hat, war für mich tatsächlich Falko“, erinnert sich der 47-Jährige.
„Es ging darum, sich eine zweite Identität zuzulegen“
Genesius hatte seine Leidenschaft gefunden: Unter dem Pseudonym WOW123 durfte er bald an seiner damaligen Schule Wände gestalten, er sprayte aber auch illegal im öffentlichen Raum, bemalte Züge. „Das komplette Programm“, sagt er dazu. „Es ging beim Graffiti auch darum, sich eine zweite Identität zuzulegen.“ Er suchte nach Orten, kam dabei viel rum, schaute sich Streetart in anderen Städten an, baute sich ein Netzwerk auf. Sein Ziel war es schließlich, Graffiti-Arbeiten auf große Flächen zu bringen und durchdachte Konzepte zu den Werken zu liefern.
Kooperation mit Bremer Firmen
So kam es auch zu Kooperationen mit Bremer Firmen, für die Genesius Auftragsarbeiten erledigte. „Dadurch habe ich mich thematisch mit Motiven auseinandergesetzt, mit denen ich mich sonst wahrscheinlich nicht beschäftigt hätte“, berichtet der Künstler. Im Nachhinein sei das ein Vorteil gewesen. „Ich war dadurch viel experimentierfreudiger und ziemlich flexibel, was meine Bildsprache betrifft.“ Für Genesius waren die Auftragsarbeiten eine willkommene Abwechslung, denn in der Graffitiszene galten eher strenge Regeln, was das Verständnis von Graffiti-Kultur betraf.
Kaufmännische Ausbildung nach Absage von der Kunsthochschule
Mitte der 1990er Jahre bewarb sich Genesius an der Kunsthochschule, wurde jedoch nicht angenommen. „Graffiti und Streetart haben erst um das Jahr 2000 eine gewisse Akzeptanz bekommen“, sagt er. Dazu hätten unter anderem bekannte Vertreter wie der britische Streetart-Künstler Banksy beigetragen. Nach der Absage von der Kunsthochschule entschied sich Genesius für eine kaufmännische Ausbildung. Im Nachhinein ist er froh, dass er nicht direkt zur Kunst kam und sich vieles autodidaktisch beibringen musste. „Manchmal muss man Umwege gehen, um ans Ziel zu kommen.“
Und angekommen ist er, das kann Markus Genesius heute mit einem guten Gefühl sagen. Nach mehr als 150 Arbeitsreisen in über 44 Länder weltweit merkte der Bremer, dass sich das klassische Graffiti schließlich für ihn erschöpft hatte. Es gab für ihn keine neuen Impulse. „Ich wusste irgendwann, dass ich etwas anderes machen musste; die Komfortzone verlassen.“
Das Testbild als Markenzeichen
Er experimentierte viel und stolperte schließlich über etwas, das fortan zu seinem Markenzeichen werden sollte: das Testbild. Längst ist es aus dem deutschen Fernsehen verschwunden und im digitalen Zeitalter verloren gegangen. Der Künstler holte es zurück auf die Leinwand und auf Häuserfassaden, zum Beispiel in der russischen Stadt Archangelsk oder auch im Bremer Viertel. Dabei greift er die Ästhetik des Logos auf, zerlegt es in seine Einzelteile und setzt es neu zusammen. „Das Testbild ist ein starkes Motiv“, sagt Genesius. Die Formen und die vorgegebene Bildsprache würden ihn jedes Mal aufs Neue faszinieren.
Bei seinem aktuellsten Projekt im niederländischen Eindhoven gestaltete der Bremer die Fassade eines ehemaligen Philips-Gebäudes und griff dabei ein altes Testbild aus den 1960er Jahren auf, das die Ingenieure der Elektronikfirma seinerzeit entwickelt hatten. „Die Auseinandersetzung mit einem solch historischen Ort war total spannend“, sagt er.
Die Leinwand ist für ihn ein neues Spielfeld
Obwohl Genesius inzwischen viel auf Leinwand arbeitet, hat der Künstler seine Wurzeln nicht aus den Augen verloren: Die Dose aus seiner Graffiti-Zeit ist geblieben, alle seine Arbeiten entstehen mit Sprühlack. „Ich erfinde das Rad nicht neu, aber versuche neue Bezüge und Ideenansätze zu schaffen.“ Lange habe er gedacht, dass Graffiti auf Leinwand nicht funktioniere. „Graffiti hat in den Straßen, an der Bahnlinie oder auf einem Zug eine ganz andere Power“, sagt Genesius. Streetart lebe auch von dem Adrenalin-Kick, dem man während des Sprayens ausgesetzt sei. In seinem Atelier in Bremen-Findorff, das er vor elf Jahren angemietet hat, sei das Vorgehen ganz anders. „Die Leinwand ist für mich ein völlig neues Spielfeld“, sagt er.
„Bremen hat eine sehr aktive und interessante Kunstszene“
Seine erste Ausstellung im Jahr 2000 bezeichnet Genesius rückblickend als konzeptlos, aber auch das gehöre zur Entwicklung eines Künstlers: „Das war eine komplette neue Welt, die ich da betreten habe.“ Die neue Welt, damit meint der Bremer die Szene der zeitgenössischen Kunst. „Mit etwas Verzögerung wurde ich dort mit sehr offenen Armen empfangen“, erzählt er. Die Begegnung mit Kunstschaffenden aller Art und der intensive Austausch mit Menschen, die einen anderen Blick auf Kunst hätten, inspiriere ihn auch hinsichtlich seiner eigenen Werke. „Bremen hat eine sehr aktive und interessante Kunstszene“, findet Genesius.
Genesius blieb seiner Heimatstadt Bremen immer treu
Obwohl der Familienvater im Laufe seiner 33-jährigen künstlerischen Laufbahn viel in der Welt herumgekommen ist, ist er seiner Heimatstadt immer treu geblieben. „Ich fühle mich hier einfach unglaublich wohl“, sagt Markus Genesius. „Ich liebe diese Stadt.“ Nach wie vor sei er gerne in den großen Metropolen unterwegs, trotzdem kann er sich nicht vorstellen, woanders als in Bremen zu leben. Dabei spielt auch seine künstlerische Vergangenheit eine Rolle. „Kunst im öffentlichen Raum hat hier eine lange Tradition, es gibt viele tolle Fassadenbilder in der Stadt“, sagt Genesius.
Einige Werke des Bremer Künstlers aus vergangenen Tagen kann man übrigens heute noch in der Bremer Neustadt finden, wo Genesius mit seiner Familie lebt – zum Beispiel auf dem Gelände des Sportvereins BTS Neustadt. „Bremen hat mir viel gegeben. Jetzt habe ich das Bedürfnis, der Stadt etwas zurückzugeben.“
Pressekontakt:
Markus Genesius, Telefon: 0173 1562372, E-Mail: wow123@gmx.net
Bildmaterial:
Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck.
Foto 1: Markus Genesius vor einem Graffiti an der Außenwand seines Ateliers in Bremen-Findorff. © WFB/Jens Lehmkühler
Foto 2: In Eindhoven gestaltete Markus Genesius die Fassade eines ehemaligen Philips-Gebäudes mit seinem Markenzeichen - dem alten Testbild. © Markus Genesius
Foto 3: Markus Genesius sprayt inzwischen nicht mehr auf Züge, sondern auf Leinwände. © WFB/Jens Lehmkühler
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