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28.1.2019 - Berit Böhme

Mauern einreißen und gemeinsam Neues kreieren

Wissenschaft

Einzigartige Professur in Bremen verbindet Musik und Design

Verbindung schaffen: Raphael Sbrzesny hat eine bundesweit einzigartige Professur an der Hochschule für Künste Bremen inne. Sie soll die Fachbereiche Musik sowie Kunst und Design miteinander verknüpfen. Im Mittelpunkt stehen Kreation und Interpretation mit den Schwerpunkten Sound, Performance und Konzept. In einer „Interpretenkammer“ gehen die Studierenden auf Tuchfühlung. 

Neue Professur an der HFK: Raphael Sbrzesny verbindet die Fachbereiche Musik sowie Kunst und Design
Neue Professur an der HFK: Raphael Sbrzesny verbindet die Fachbereiche Musik sowie Kunst und Design © WFB/Berit Böhme

Schnittstelle für Musik und bildende Kunst

Was haben angehende Gestalter, bildende Künstler und Musiker gemein? Klar, sie machen alle etwas Kreatives, aber jeder in seinem Bereich. Doch was passiert, wenn alle über ihren Tellerrand hinausschauen und gemeinsam an Projekten arbeiten? Jede Menge Kreativität wird freigesetzt – das hofften zumindest die Verantwortlichen der Bremer Hochschule für Künste (HfK). Sie richteten deshalb im Herbst 2018 einen bundesweit einzigartigen, fächerübergreifenden Lehrstuhl ein. Ausgefüllt wird er von Raphael Sbrzesny. Er ist Professor für Kreation und Interpretation mit den Schwerpunkten Sound, Performance und Konzept. Eine seiner ersten Amtshandlungen bestand darin, einen speziellen Raum für die interdisziplinäre Zusammenarbeit einzurichten: die Interpretenkammer. „Sie ist ein Ort des Experiments für Projekte an der Schnittstelle von Musik und bildender Kunst“, sagt ihr Initiator. 

Ungewöhnlich: Lehrstuhl ohne vordefinierte Auswahlkriterien

Die HfK ging bei der Besetzung einen ungewöhnlichen Weg. Sie hatte auf eine so genannte Open-Topic-Ausschreibung gesetzt. Dabei fehlen wie sonst für Lehrstühle üblich vordefinierte Auswahlkriterien. Die inhaltliche Ausgestaltung war den Bewerberinnen und Bewerbern überlassen. Einzige Vorgabe: der Lehrstuhl sollte fachübergreifend sein. Sbrzesny setzte sich schließlich unter vielen Anwärtern durch. „Wir sind sehr glücklich, dass mit Raphael Sbrzesny ein Musiker und Künstler bei uns einzieht“, so der Rektor der HfK, Roland Lambrette, beim Antrittskonzert des neuen Professors.

Der neue Professor ist interdisziplinär ausgebildet

Raphael Sbrzesny arbeitet in den Medien Performance, Video, Installation sowie Skulptur und spielt regelmäßig Konzerte. Der 1985 in Oberndorf am Neckar geborene Musiker und Künstler ist selber interdisziplinär ausgebildet. „Ich habe ursprünglich klassisches Schlagzeug studiert“, sagt er. Das tat er als Jungstudent, während er gleichzeitig noch zur Schule ging. Beim Schlagwerk blieb es nicht. „Ich habe sehr viele Sachen parallel gemacht“, erzählt er. Er studierte Neue Musik, Kammermusik, Experimentelles Musiktheater und Komposition sowie Bildende Kunst und Theorie. Die Studien führten ihn nach Stuttgart, Paris, Bern, und München. Sbrzesny wurde mit vielen renommierten Preisen und Stipendien ausgezeichnet. Zuletzt mit dem Karl-Schmidt-Rottluff Stipendium für bildende Kunst.

Zu Raphael Sbrzesnys Repertoire gehört auch Karlheinz Stockhausens „Zyklus für einen Schlagzeuger“ aus dem Jahre 1959.
Zu Raphael Sbrzesnys Repertoire gehört auch Karlheinz Stockhausens „Zyklus für einen Schlagzeuger“ aus dem Jahre 1959. © WFB/Berit Böhme

Interpretenkammer ist Ort des Experiments und des Erprobens

Nun ist er in Bremen, wo er seine Idee für die Interpretenkammer gleich nach seinem Amtsantritt im Oktober 2018 umsetzte. „Wir brauchen einen Raum, wo sich Studierende beider Fachbereiche treffen können“, begründet er. Die Kammer ist für ihn ein „Hybrid-Raum, mit sowohl Probe- als auch Ateliercharakter“. Untergebracht ist sie im Fachbereich Kunst und Design in der Bremer Überseestadt, im historischen Speicher XI. Der Raum ist schallisoliert, hat eine hohe Decke und einladende Sofas. „In der Interpretenkammer soll nicht nur geprobt und geübt, sondern auch diskutiert, gebaut, gebastelt und nachgedacht werden“, erklärt Sbrzesny. 

Studierende bauen Bühnenbilder und Instrumente

Er schätzt auch die unmittelbare Nachbarschaft zu den Werkstätten des Fachbereichs Kunst und Design. Denn er erhofft sich neben den Kooperationen zwischen Studierenden der Musik und der Künste auch, dass die jungen Musikerinnen und Musiker von den Werkstätten profitieren. Etwa indem sie selber Bühnenbilder, Instrumente und Objekte bauen und sie dann in ihre Konzerte integrieren. „Direkt gegenüber ist beispielsweise die Mode“, sagt er und deutet auf eine Tür. Die Nachbarschaft trug schon Früchte: Kreationen wurden gefertigt, die als klingende Kostüme am Körper getragen werden können.

Die klingenden Kostüme im Einsatz
Die klingenden Kostüme im Einsatz. © WFB/Berit Böhme

Sbrzesny fördert den „emanzipierten Interpreten“

Der Name Interpretenkammer spiegelt Sbrzesnys Lehrkonzept vom „emanzipierten Interpreten“ wider. Es ergänzt die Ausbildung zum Instrumentalisten im Fachbereich Musik, in der das Studium komplexer Partituren im Zentrum stehen. In der Interpretenkammer wird für die künstlerischen Produktionen auf Fremdmaterial zurückgegriffen, daraus aber etwas völlig Neues geschaffen. Das Spektrum reicht von Texten, Kunstwerken oder Partituren bis hin zu Geschichte, Sozialem, Pop-Kultur oder Fußball. Wahllos oder gar planlos geht es bei Sbrzesny aber nicht zu. „Das ist kein Ansatz eines neoliberalen ‚anything goes‘, sondern ein bewusstes ‚Sich-Einlassen‘“, stellt er klar. „Die Studierenden hier sind sehr kritisch, denken mit und sind wirklich aufgeschlossen. Außerdem gibt es bereits in meinem ersten Semester eine tolle Mischung von unterschiedlichen Studierenden aus beinahe allen Fachbereichen der HfK, worüber ich mich sehr freue.“ 

Ein zweiter Körper

In diesem Semester bietet Raphael Sbrzesny das für Laien ungewöhnlich klingende Praxisprojekt „Von zweiten Körpern und den Erhebungen des Krampforchesters“ an. „Der Körper unserer Zeit steht unter einem spezifischen Druck“, erklärt er. Ziel des Projekts sei es, die inneren Spannungen und Verhärtungen unter anderem mit Masken, Performances und Musik sicht- und hörbar zu machen. Der Professor nennt das „Karneval der Nervösen“. Wie ein unter Druck stehender Körper klingen kann, demonstrierte Sbrzesny bereits im Rahmen seines Antrittskonzerts im Januar im Konzertsaal der HfK. Dort wurde auch die für Sbrzesnys Werk charakteristische Verknüpfung von Bildhauerei und Schlagwerk deutlich. Denn manche seiner Skulpturen sind gleichzeitig Instrumente, die am Oberkörper getragen werden. 

Manche Arbeiten Sbrzesnys haben eine Doppelrolle als Instrument und Skulptur
Manche Arbeiten Sbrzesnys haben eine Doppelrolle als Instrument und Skulptur. © WFB/Berit Böhme

Waben als temporäre Bühnenkonstruktionen

Auf Sbrzesnys Initiative hin sind zudem zwei „Waben“ entstanden. Diese temporären Bühnenkonstruktionen stehen sowohl in der Interpretenkammer im Fachbereich Kunst und Design als auch im Foyer des Fachbereichs Musik in der Bremer Innenstadt. Sie sollen für Interventionen, kleine Konzerte, Performances und Ausstellungen genutzt werden können. 

Wer einen Einblick in die Arbeit und Lehre an der HfK und aktuelle Projekte der Studierenden Sbrzesnys bekommen möchte, hat dazu bei den Hochschultagen am 9. und 10. Februar 2019 im Speicher XI die Gelegenheit.


Pressekontakt

Hochschule der Künste, Pressestelle, Tel. +49 421 95951031, E-Mail: pressestelle@hfk-bremen.de 


Bilddownload

Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck.

Foto 1: Neue Professur an der HFK: Raphael Sbrzesny verbindet die Fachbereiche Musik sowie Kunst und Design © WFB/Berit Böhme

Foto 2: Zu Raphael Sbrzesnys Repertoire gehört auch Karlheinz Stockhausens „Zyklus für einen Schlagzeuger“ aus dem Jahre 1959. © WFB/Berit Böhme

Foto 3: Die klingenden Kostüme im Einsatz. © WFB/Berit Böhme

Foto 4: Manche Arbeiten Sbrzesnys haben eine Doppelrolle als Instrument und Skulptur. © WFB/Berit Böhme


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