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24.4.2017 - Thomas Joppig

Bremer Kunststoffkomponenten für All und Ozean

Luft- und Raumfahrt

Ob Satelliten, Drohnen oder Schiffe: Die Haindl Kunststoffverarbeitung GmbH entwickelt individuelle Lösungen für verschiedenste Einsatzgebiete

Das Bremer Unternehmen Haindl stellt individuelle Kunststoffkomponenten für drei der wichtigsten Branchen des Standorts her: Luftfahrt, Raumfahrt und Schifffahrt. Im Interview erklärt Geschäftsführer Jens Rohpeter, welche besonderen Anforderungen dies mit sich bringt – und erläutert, weshalb er Kunststoff für den Werkstoff des 21. Jahrhunderts hält.

Herr Rohpeter, Ihr Unternehmen hat sich auf Kunststoffverarbeitung spezialisiert. Sie stellen unter anderem Kunststoffkomponenten für die Luft- und Raumfahrt her. Was sind die besonderen Anforderungen, die hier an Material und Verarbeitung gestellt werden?

Die Anforderungen sind sehr hoch. Die verwendeten Rohstoffe müssen spezielle Zulassungen haben, damit sie überhaupt verwendet werden können. Auch der Fertigungsprozess muss minutiös dokumentiert werden. Ebenso aufwändig ist die Kontrolle bei der Endabnahme. Fertigungstoleranzen sind sehr eng gefasst. Speziell in der Luft- und Raumfahrt denkt man konservativ. So werden traditionelle Werkstoffe, die funktionieren – wie beispielsweise Aluminium – nur selten durch Kunststoffe ersetzt. Alles muss zu 200 Prozent funktionieren, bevor man zum Beispiel einen Satelliten mit Kunststoffteilen ins All schießt.

Wo sind die Bauteile zu finden, die Ihr Unternehmen für die Luft- und Raumfahrtindustrie herstellt?

Für die Raumfahrt haben wir beispielsweise den Prototyp eines Satelliten-Bauteils gefertigt. Für die Luftfahrt bauen wir Prüfkörper zur Materialqualifikation. Das bedeutet, wir bauen keine Teile, die direkt in ein Flugzeug eingebaut werden, sondern Teile aus genau dem Werkstoff und lassen diese dann in einem Labor prüfen. Aus dem qualifizierten Material der Prüfkörper werden dann zum Beispiel die Landeklappen hergestellt.

Gibt es Bauteile, bei denen Sie besonders stolz darauf sind, dass Sie in Ihrem Unternehmen gefertigt werden?

Wir haben mehrere Prototypen für eine Drohne / UAV gebaut. (UAV = Unmanned Aircraft System, zu deutsch: Unbemanntes Luftfahrzeug – die Redaktion). Die Drohne dient der Seeüberwachung, zum Beispiel für die Inspektion von Windparks oder die Aufstöberung von Umweltsündern auf See. Ansonsten liegt unser Schwerpunkt auf Marine und Schiffbau. Hier fertigen wir unter anderem Verkleidungen für Sonaranlagen, die an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden lang extrem dem Seewasser ausgesetzt sind und sehr widerstandsfähig sein müssen.

Kunststoff ist der Werkstoff des 21. Jahrhunderts, so schreiben Sie auf Ihrer Firmen-Website. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Eigenschaften von Kunststoff?

Das Wichtigste ist, dass der Werkstoff auf die spezielle Anforderung des Kunden zurechtgeschnitten werden kann, wie ein Maßanzug. Dadurch ist das Material sehr ressourceneffizient. Man kann äußerst leicht bauen, wenn es um Luftfahrt geht, man kann aber auch sehr widerstandsfähig bauen, wenn es auf See geht. Nahezu jede Formgebung ist umsetzbar, das ist bei vielen Werkstoffen nicht der Fall.

3D-Druckverfahren werden immer beliebter. Welche Auswirkungen hat das auf Ihre Arbeit? 

Bedingt durch die Größe unserer Bauteile ist der 3D-Druck momentan kein Thema. Aber vielleicht in der Zukunft, wenn die Drucker auch größere Teile umsetzen können. Spannend ist derzeit, dass man über einen 3D-Druck dem Kunden ein Miniaturmodell von seinem Teil drucken und auf den Tisch stellen kann. So kann er sein Produkt quasi „begreifen“. Viele technische Anforderungen können so sehr anschaulich vorab geklärt und besprochen werden.

Ihr Unternehmen besteht seit fast 60 Jahren. Wie stark hat sich die Verarbeitung von Kunststoffen seither verändert?

Die Fertigungsmethoden sind heute viel industrieller geprägt. In den 60ern hatte das noch viel mit Kleben, Staub und „in die Hand nehmen des Werkstoffs“ zu tun. Heute haben wir moderne Fertigungsverfahren in hellen Arbeitshallen mit starken Absauganlagen. Auch die Themen Arbeitsschutz und Umweltschutz haben den Kunststoffbau bei uns zu einer industriell geprägten Manufaktur heranwachsen lassen.

Ihr Unternehmen hat lange Erfahrung beim Herstellen von Kunststoffkomponenten für den Schiffbau. Was hat Ihnen dabei geholfen, Ihr Geschäftsfeld zu erweitern und auch Kunden aus der Luft- und Raumfahrtbranche anzusprechen?

Ein maßgeblicher Faktor sind die Netzwerk-Möglichkeiten, die sich durch die WFB oder damals noch die BIG ergeben haben. Über Förderprojekte konnten wir Großindustrie- und Instituts-Kontakte auf Augenhöhe aufbauen, pflegen und durch die Qualität unserer Arbeit auch ausbauen.

Sie haben das Unternehmen 2016 übernommen und sind nun Geschäftsführender Gesellschafter. Was waren die wichtigsten Gründe, die Sie zu diesem Schritt bewogen haben?

Ich bin seit 2009 Geschäftsführer des Unternehmens und bin vorher schon einige Jahre in diese Position herein gewachsen. Wir sind ein Familienunternehmen, diese Werte spürt man.

Gesellschaftliche Verantwortung, langjährige Mitarbeiter im Unternehmen, gute Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie der positive Kontakt mit unseren nationalen und internationalen Kunden – all das sind Faktoren, die mich zu diesem Schritt bewogen haben.

Jens Rohpeter, Geschäftsführer Haindl

Wie gut fühlen Sie sich insgesamt von der Wirtschaftsförderung Bremen und den relevanten Branchennetzwerken vor Ort unterstützt?

Die Zusammenarbeit kenne ich seit gut vierzehn Jahren und habe sie stets als unkompliziert und sehr lösungsorientiert erfahren.

Bremen ist ein küstennaher Luft- und Raumfahrtstandort. Ist das für ein Unternehmen wie Ihres ein doppelter Standortvorteil?

Definitiv. Es liegt nahe, es sind im Prinzip drei Branchen an einem Standort vereint (Maritime Wirtschaft, Luft- und Raumfahrt – die Redaktion), alles ist eng beieinander.

Die Kommunikationswege sind kurz. Aus meiner Sicht ein wirklicher Wettbewerbsvorteil.

Jens Rohpeter, Geschäftsführer Haindl

Welche Zukunftspläne haben Sie für Ihr Unternehmen?

Ein langsames, stabiles, auf unsere Stärken orientiertes Wachstum. Im Fokus liegt der Bedarf unserer Kundschaft. Mit den Beschäftigten als wichtigstes Gut. Schon jetzt wachsen die Bereiche Schadensanalytik, Instandsetzung und Service.

Herr Rohpeter, vielen Dank für das Gespräch!


Weitere Informationen zum Luft- und Raumfahrtsstandort Bremen finden Sie hier auf unserer Seite.

Ihre Ansprechpartnerin zum Thema Raumfahrt ist Dr. Barbara Cembella, Clustermanagerin Raumfahrt, Tel. 0421 9600-340, barbara.cembella@aviaspace-bremen.de.

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