Huddy - Auf den Leib geschneidert
Start-ups„Huddy“ aus dem Baukastensystem: Wenn der Pulli perfekt zur Figur passt
Passt nicht, gibt’s nicht. Wer bei Viktoria Theoharova einen Pullover bestellt, bekommt ein Kleidungsstück, das sitzt. Die Bremer Jungunternehmerin schneidert Kleidung nach Maß – und engagiert sich sozial, nicht nur in der Coronakrise.

Herkömmliche Konfektionsware passte nicht
Die Ärmel waren oft zu kurz. Und dabei hat Viktoria Theoharovas Bruder Jannis Hofmann ganz normal lange Arme. Kein Sweatshirtpulli passte perfekt. Als die 33-Jährige auf der Suche nach einem Weihnachtsgeschenk für ihn war, missfielen ihr die zu kurzen Ärmel an der herkömmlichen Konfektionsware. Zugleich brachte der Ärger die Jungunternehmerin aber auf die Idee zu „Huddy“ – maßgeschneidert, mit einem Baukastensystem aus Schnitten und Stoffen. Jeder „Huddy“ ist einzigartig und so, wie die Trägerin oder der Träger es sich wünscht.
Create it. Wear it. Love it
Online bestellen ist möglich, aber wer will, kann auch direkt vorbeikommen. Ihr Atelier findet sich seit 2019 in der Bremer Innenstadt, in Sichtweite zum Rathausplatz. In dem Geschäft mit den großen Fensterscheiben schaut man Theoharova bei der Arbeit direkt über die Schulter. Und nicht nur ihr: Mit dem Sneaker-Designer BLNKS, dem Möbelbauer Wood.You.Love und dem Unterwäschelabel Tizz & Tonic hat sich eine Vierertruppe junger Unternehmerinnen und Unternehmer gefunden, welches sich nicht nur die Räumlichkeiten teilt: „Wir haben gemeinsam mehr Laufkundschaft, wir planen Events – wenn nicht gerade Corona herrscht – und vor allem: Wir tauschen uns regelmäßig aus. Alle vier Unternehmen sind erst seit einigen Jahren auf den Markt, wir können uns gegenseitig jederzeit um Rat fragen, das ist unbezahlbar“, sagt sie. Sie genieße vor allem die angenehme Atmosphäre und Transparenz. Letzteres ist Viktoria Theoharova, die 1993 als Kind aus Bulgarien nach Deutschland kam, auch noch woanders wichtig. Für sie sind Kundinnen und Kunden nicht nur Abnehmer, sondern wichtiger Baustein ihrer Geschäftsidee, die das Motto „Create it. Wear it. Love it“ mit ihr teilen.
Handgeschriebene Karten als Dankeschön für jeden Kunden
Die persönliche Note ist Viktoria Theoharova ein Anliegen. Handgeschriebene Karten als Dankeschön gehören bei der Gründerin von „Huddy“ zum guten Ton. Etwas Besonderes in virtuellen Zeiten. Es ist ein Aufwand, der sich auszahlt. Die junge Unternehmerin bleibt im Gedächtnis, sie möchte das Gefühl einer Gemeinschaft kreieren. Die Pullover sind für Theoharova nicht einfach nur ein (Lieblings-)Kleidungsstück für die späteren Trägerin oder den Träger. Sie spricht vom „Team Huddy“ – und meint damit ihren Kundenstamm. Der soll nicht nur regional wachsen. Über den Webshop (www.myhuddy.de) können Verbraucherinnen und Verbraucher weltweit ihr Unikat in Auftrag geben.
Ihre Mutter brachte ihr das Nähen bei
Nähen gehörte schon immer zu ihrem Leben dazu. Die erste Kindernähmaschine gab es zur Einschulung, ihre Mutter inspiriert sie noch heute beim Nähen. „Meine Sparringspartnerin“, schmunzelt sie. Und wird es im Produktionsablauf einmal eng, dann springt ihre Mutter mit ein, schneidet Stoffe zu und näht einen Wunschhoodie. Viktoria Theoharova hat das Schneidern samt aller Kniffe von ihr gelernt und schon früh auf professionelle Beine gestellt. Insgesamt 13 Jahre entwarf und nähte sie am Weyher Boulevardtheater die Kostüme, 2013 machte sie sich mit dem Label „deathbychocolatedesign“ selbstständig, das sich auf Eventkleider spezialisiert hatte. „Instinktiv habe ich aber nach etwas für den Massenmarkt gesucht und mit „Huddy“ gefunden“, sagt die Gründerin. Wobei mit Masse bei ihr nicht hohe Stückzahlen gemeint sind. Sie suchte nach einem Kleidungsstück, das vielen Menschen Freude macht, aber ebenso vielen häufig nicht passt. Zu groß, zu klein, zu kurz, zu lang.

Slowfashion: Schlicht und reduziert
Mode macht Theoharova Spaß, nicht aber die kurzen Kleiderzyklen der Branche. Da könnte sie richtig wütend werden. Wichtig ist ihr daher, fair, lange haltend und nachhaltig zu produzieren. Ihre Stoffe bezieht sie zum Beispiel aus der schwäbischen Alb und aus Berlin – allesamt aus Biobaumwolle ohne Pestizide – ansonsten versucht sie regionale Partner ins Boot zu holen, wie beim Etikettendesign. Viktoria Theoharova spricht von Slow Fashion. Ihre Pullover sind schlicht und schnörkellos. Ihr Kapuzenpulli kann klassisch daherkommen oder aber trendy. Je nach Wunsch und Träger. Prinzipiell lassen sich die Pullover morgens bei der Arbeit und abends zum Ausgehen tragen. Nordische Motive sind derzeit angesagt und auch Blau bleibt ein Klassiker.
Gut drei bis vier Wochen dauert es, bis Theoharova die Bestellung in einen Pullover verwandelt hat. Das neue Lieblingsteil soll es lange bleiben. Alle Stoffe sind vorgewaschen, ein Einlaufen gibt es bei ihren Modellen nicht. Ob man eine Kapuze oder lieber einen Kragen wolle, Taschen oder etwas anderes, jeder Kunde kann nach seinen Vorstellungen den Wunschsweater zusammenstellen.
Geschäft läuft – und dann klopft Corona an
Ihr Geschäft läuft erfolgreich – einen Nebenjob, den sie lange Zeit ausübte, hat sie gekündigt, sie kümmert sich jetzt Vollzeit um ihren Laden. Auch eine erste 450-Euro-Kraft hat sie eingestellt – oder vielmehr, sie hat sich selbst eingestellt. „Sie ist von selbst auf mich zugekommen und hat mich mit ihren Fähigkeiten beeindruckt. Ich hatte gar nicht damit geplant und mir fehlten auch die Kapazitäten, jemanden einzuarbeiten – bei ihr hat es aber sofort gepasst“, ist die Schneiderin über Unterstützung glücklich.
Die Coronakrise bedeutete auch für die Gründerin einen Einschnitt. „Ich habe deshalb das Projekt B-O-G-O, also ‚buy one give one‘, gestartet. Ich nähe Mund-Nasen-Masken. Für jede selbstgenähte Maske, die meine Kundschaft bei mir kauft, geht eine weitere an Seniorenheime, die Suppenengel oder andere Organisationen“, so Theoharova.
Verantwortungsvoll zu handeln und sich zu engagieren, ist der Unternehmerin wichtig. Im Winter rief sie einen Charity-Adventskalender ins Leben und plant derzeit sie ein weiteres Projekt, dass es ihr ermöglicht, regelmäßige Beträge zu spenden.
Ihr Wunsch: Hochwertige Mode einer breiten Masse zugänglich machen
So zeigt sich bereits, was „Huddy“ nicht sein soll: Ein neues Trendlabel, das schnell gepusht wird und einen Hype auslöst. „Ich möchte ein Image aufbauen, ohne etwas zu beschreien“, verdeutlicht sie und ergänzt: „Ich will nicht, dass meine Mode elitär wird, sondern sie einer breiten Schicht zugänglich machen.“ Es bleibe hochwertige Handarbeit, ihr Atelier sei eine Manufaktur. „Ich möchte sehen, was ich bewegen kann und wieder mehr Wertschätzung für Mode ins Bewusstsein holen.“ Ihre Modelle können problemlos über viele Jahre getragen werden. Eine Idee, die ihr äußerst gut gefällt.
Und Pullover sind längst nicht mehr das einzige Geschäft. Für den Sommer – nicht gerade die klassische Pullizeit – hat sie eine Kollektion aus Kleid, Rock, T-Shirt, Shorts zusammengestellt, dazu kommen Accessoires. Ein Sortiment, was sie allmählich erweitern will „aber manchmal muss ich mich selbst bremsen“, grinst sie.
Einjähriges Gründercoaching BRUT der Förderbank BAB genutzt
Sie schneidert nicht nur mit Begeisterung, auch ihr Geschäft hat Hand und Fuß. Sie schwimmt keineswegs bloß auf der Do-it-yourself-Welle des Kleidernähens, Viktoria Theoharova hat einen Master in Wirtschaft, Schwerpunkt Markenmanagement und Entrepreneurship. „Dort habe ich alles gelernt, was ich heute nutzen kann“, erläutert sie. Zudem feilte sie im einjährigen Gründercoaching des Starthauses, weiter an ihrer Idee. Sie hinterfragte Zahlen, analysierte den Markt. „Ein Riesengeschenk“, sagt sie dankbar. Nicht nur das Projekt wurde auf Herz und Nieren geprüft, hier fand sie auch erste Kooperationen beispielsweise zu einer Fotografin.
Ihr solides Geschäftsmodell überzeugte auch die Jury des jährlichen Wettbewerbs „Campusideen“ bei dem sie 2019 den zweiten Platz gewann. Viktoria Theoharova gefiel außerdem die Idee des Crowdfundings – und den Leuten wiederum ihre. Zwei Monate lang warb sie über die regionale Plattform Schotterweg für ihre Geschäftsidee. Mit Erfolg. Die benötigten 6.000 Euro für einen professionellen Webauftritt inklusive aufwändigem Shopsystem kamen so zusammen. „Ich wollte Menschen, die an mich glauben, und ihr Feedback. Die Resonanz war und ist mir sehr wichtig“, sagt Theoharova. Rund 100 Vorbestellungen hat ihr das Crowdfunding eingebracht. Zudem war die Kampagne für die Gründerin ein „fantastisches Marketingtool“.

Ein stolzer, aber fairer Preis
Bleibt nur eins zu fragen: Ist maßgeschneiderte Mode nicht furchtbar teuer? Auch diesen Einwand kennt Viktoria Theoharova und bekennt, dass man tatsächlich tiefer in die Tasche greifen muss. Der individuelle Pullover geht ab 100 Euro los. Ein fair kalkulierter Preis, wie sie betont. Für den Kunden, für die Umwelt und für sie.
Start-ups und Existenzgründer in Bremen erhalten hilfreiche Informationen beim Starthaus-Team: Unter der Telefonnummer 0421 9600 – 372 und unter starthaus-bremen.de/
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