Von der Bohne bis zur Tafel: faire Schokolade made in Ghana
Neu in BremenWie die fairafric AG den Herstellungsprozess von Schokolade umkrempelt

Bio-Zartbitter mit Tigernuss und Mandel, vegane Schokolade mit Baobab und Moringa oder umhüllte Mango- und Ananasbällchen – nein, diese außergewöhnlichen Köstlichkeiten kommen nicht aus der Schokoladenfabrik von Willy Wonka, sondern aus Amanase, einer ländlichen Region im westafrikanischen Ghana, zwei Stunden von der Hauptstadt Accra entfernt. Dort hat die Münchner fairafric AG mit ihrem ghanaischen Schwesterunternehmen fairafric Ghana Limited 2020 ihre eigene Schokoladenfabrik eröffnet. 85 Mitarbeitende produzieren dort verschiedenste Schokoladenkreationen, die dann vor Ort verpackt und nach Europa geliefert werden.
Seit Mitte 2022 ist fairafric mit einer eigenen Lagerzentrale in Bremen vertreten: Die ghanaische Schokolade kommt auf dem Schiffweg in der Hansestadt an und wird von dort aus an die europäischen Kundinnen und Kunden weiterverschickt. Warum das Münchner Unternehmen Schokolade in Ghana herstellt und weshalb es sich ausgerechnet Bremen als Logistikstandort ausgesucht hat, erzählt die Bremer Standortleiterin Ann-Kathrin Berek.
Von der Münchner Küche in die ghanaische Schokoladenfabrik
Die Idee, Schokolade in Bio-Qualität im Ursprungland herzustellen, hatte der Münchner Gründer und mittlerweile Vorstandsvorsitzender Hendrick Reimers 2013, als er durch Westafrika reiste und Kakaoplantagen besuchte. Er stellte fest, dass die Herstellung von konventioneller Schokolade bis heute noch tief in kolonialistischen Strukturen verankert ist und zu Armut und Ungleichheiten beiträgt. Laut Informationen von fairafric liefert Afrika im Kakaogeschäft vor allem die Rohstoffe und erhält dafür lediglich 5 Prozent des Gewinnanteils. Die Weiterverarbeitung findet in Europa statt und erzeugt 95 Prozent des Gewinns. So schrieb sich Reimers auf die Fahne, den gesamten Herstellungsprozess von Schokolade in das Ursprungsland – in diesem Falle Ghana – zu verlagern.
2016 gründete er die fairafric AG. Seine ersten Schritte in der Welt der Schokoladenproduktion machte er in seiner Küche in München, wo er selbst Rezepte ausprobierte. In Ghana stellte er dann den Kontakt zu einer Fabrik her, die es ihm ermöglichte, Bio-Schokolade in kleinen Mengen zu produzieren. Unterstützt wurde er dabei von Michael Marmon-Halm, der zu diesem Zeitpunkt in dem afrikanischen Werk arbeitete und inzwischen die ghanaische Schokoladenfabrik von fairafric leitet.
Schokolade in Bio-Qualität in Ghana herzustellen war von Anfang an mit vielen Herausforderungen verbunden: Der Kakaoanbau im westafrikanischen Land ist noch fest in konventioneller Hand, Pestizide werden vom Staat kostenfrei ausgeteilt, einige für die Produktion wichtige Zutaten, besonders in Bio-Qualität, sind in Ghana schwer oder gar nicht zu finden und darüber hinaus erschweren die heißen Temperaturen im Land die Gewährleistung der für Schokolade erforderlichen Kühlkette.
Doch die Mühe lohnte sich, denn die produzierten Schokoladentafeln verkauften sich so schnell, dass das Unternehmen kaum mit der Nachproduktion hinterherkam. So entschied sich das Team 2019, eine eigene, energieeffiziente Fabrik zu bauen, um schneller und gezielter arbeiten zu können. Mit Unterstützung von Investorinnen und Investoren, Krediten und Crowdfunding-Kampagnen, konnte die solarbetriebene Fabrik in Amanase ausgerechnet im Coronajahr 2020 innerhalb von sechs Monaten fertiggestellt werden. Inzwischen ist die faire Schokolade im Online-Shop von fairafric, aber auch in verschiedenen Weltläden, Bioläden, unverpackt-Läden und in einigen Einzelhandelsgeschäften in Deutschland, Österreich, der Schweiz sowie weiteren europäischen Ländern zu finden.

Faire Schokolade – faire Löhne
„Von der Kakaobohne bis zur fertig verpackten Tafel findet die gesamte Wertschöpfung in Ghana statt. So sind nicht nur die Kolleginnen und Kollegen in unserem Werk an dem Herstellungsprozess beteiligt und bekommen ein angemessenes Gehalt, sondern viele weitere Menschen in der Region. Wir haben zum Beispiel eine Druckerei in Ghana gefunden, die in Zukunft unsere Verpackungen drucken wird“, erklärt fairafric-Mitarbeiterin Ann-Kathrin Berek. Seit Mitte 2022 leitet sie den neu geschaffenen Logistikstandort von fairafric in Bremen-Hemelingen.
So entstehe ein Schneeball-Effekt, von dem alle direkt und indirekt an der Herstellungskette beteiligten Personen im Land profitieren. Die Mitarbeitenden von fairafric erhalten wichtige Benefits: Unter anderem zahlt das Unternehmen mindestens das Vierfache des ghanaischen Mindestlohns, versichert alle Angestellten und ihre Familien und bietet Fortbildungsmaßnahmen in der Schokoladenproduktion.
Auch die Farmerinnen und Farmer profitieren von der Zusammenarbeit mit fairafric. „Wir zahlen 600 US-Dollar pro Tonne Kakao, das ist die höchste Prämie, die es in Ghana gibt“, erklärt die Bremer Standortleiterin. „Es ist ein wichtiger Anreiz, um zu zeigen, dass es noch einen Weg des Kakaos jenseits des konventionellen gibt. Der Anbau von Bio-Kakao hat darüber hinaus einen gesundheitlichen Aspekt für die Farmer:innen. Viele Menschen, die mit Pestiziden arbeiten, wurden wahrscheinlich im Vorfeld nicht ausreichend über die gesundheitsschädlichen Gefahren aufgeklärt.“ Hier leisten Bereks ghanaische Kolleginnen und Kollegen Wissenstransfer und tauschen sich regelmäßigen mit den Farmerinnen und Farmern aus.
Wissenstransfer leistet das Team von fairafric auch in Europa. Zwei Dokumentarfilme hat das Unternehmen mittlerweile veröffentlicht – „Decolonize Chocolate I & II“, in denen es um den Herstellungsprozess von Schokolade und die Mission von fairafric geht. Auch in Schulen, auf Messen und bei Veranstaltungen machen Berek und ihre Kolleginnen und Kollegen auf das Thema aufmerksam.

Die wahrscheinlich fairste Praline der Welt
Neben Schokoladentafeln, -drops und weiteren Erzeugnissen produziert fairafric feine Pralinen und schokoladenummantelte Früchte unter dem Namen „Amanase“. Das Besondere daran: Die Kreationen stammen aus der hauseigenen Chocolatier-Schule, angegliedert an der fairafric Ghana Limited. Mittlerweile zehn Auszubildende werden dort in die Geheimnisse der Pralinenkunst eingewiesen und können ihrer Kreativität freien Lauf lassen. „Einige von ihnen möchten von uns übernommen werden, andere zeigen Bestrebungen, ihr eigenes Unternehmen zu gründen“, berichtet Berek stolz.
Die Produkte von Amanase sind in einem eigenen Online-Shop zu finden und werden, zusammen mit den Schokoladentafeln von fairafric, vom Standort Bremen aus an die europäische Kundschaft versendet.
Der Weg nach Bremen
Doch warum hat ein Unternehmen, das in Ghana produziert und in München seinen Hauptsitz hat, einen Standort in Bremen? Um dies zu erklären, blicken wir zurück auf den Bau der Schokoladenfabrik im Jahr 2020. „Um den Bau zu finanzieren, hatten wir unter anderem eine Crowdfunding-Kampagne gestartet“, erklärt Ann-Kathrin Berek. „Die Unterstützerinnen und Unterstützer hatten die Möglichkeit, sich Bundles auszusuchen, die sie als Dankeschön vor Weihnachten erhalten sollten.“
Das Timing war knapp, denn mit dem Bau des Werks, der Bio-Zertifizierung der Schokolade, der Produktion und dem Seetransport, kam die Schokolade erst eine Woche vor Weihnachten in Deutschland an. „Allerdings in Hamburg,“ so Berek. Aus klimaschonenden Gründen werden die Produkte ausschließlich auf dem Seeweg nach Deutschland transportiert. „Unser Sitz ist in München und dementsprechend war es schwierig, kurz vor Weihnachten eine Spedition zu finden, die noch die Schokolade aus Hamburg nach München schaffte, damit wir sie entgegennehmen konnten, um sie an die Kundinnen und Kunden rauszuschicken.“ Eine nervenaufreibende Aktion, die dem damaligen Team viele schlaflose Nächste einbrachte.
Und obwohl alles klappte, war klar, dass ein Standort im Norden hermusste, um die regelmäßigen Lieferungen aus Ghana entgegenzunehmen, zu lagern und an die Kundschaft weiter zu versenden.

Ein echtes Nordlicht
Ann-Kathrin Berek selbst stammt aus Hamburg. Als sie sich 2019 bei fairafric bewarb und für die Arbeit nach München zog, war sie sich sicher: Irgendwann würde es für sie wieder in den Norden gehen. „Ich habe recht früh erkannt, dass solche langen Lieferwege vom Hamburger Hafen nach München ins Geld gehen und es Sinn ergeben würde, einen Standort im Norden zu suchen, um kostengünstiger und effizienter zu arbeiten“, erläutert sie.
„Wir haben im gesamten Norden einen Standort gesucht und uns schließlich für Bremen entschieden, weil wir hier diverse Anknüpfungspunkte haben“, so Berek weiter. Zum einen stamme fairafric-Gründer Hendrik Reimers aus der näheren Umgebung Bremens. „Er ist Werder-Fan und liebt diese Stadt“, verrät Berek. Zum anderen arbeite fairafric mit dem in Bremen angesiedelten Logistikunternehmen Uhlhorn zusammen, das einen wesentlichen Teil der Produktpaletten lagere.
Der Bremer Standort von fairafric dient als zusätzliche Lager- und Logistikfläche – dort findet der Palettenumschlag statt, von der Warenannahme bis zum Warenausgang. „Im besten Fall liefern wir die Ware palettenweise aus, aber auch die Einzelbestellungen aus dem Online-Shop werden hier gepackt“, so Berek.
Unterstützung durch die WFB
In Kooperation mit der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH suchte und fand Berek den geeigneten Standort für ihr Logistikzentrum in Bremen-Hemelingen. „Die Wirtschaftsförderung war für uns eine selbstverständliche Adresse, um nach Unterstützung bei der Standortsuche zu fragen“, so Berek. Auch bei der Suche nach Mitarbeiter:innen für den Bremer Standort konnte die WFB einen Beitrag leisten. „Die WFB hat unsere Stellenausschreibungen über ihr Netzwerk verbreitet. Das hat uns sehr geholfen, so hatten wir einen großen Zulauf an Bewerber:innen.“
Aktuell ist das Bremer Team mit fünf Mitarbeitenden gut aufgestellt, doch Berek kann sich vorstellen, es in Zukunft noch zu erweitern. Dabei hat sie eine ganz bestimmte Idee im Kopf: „Wir arbeiten bereits bei gezielten Aktionen mit der Werkstatt Bremen der Stiftung Martinshof zusammen“, so die Standortleiterin. „Vielleicht wäre es eine Möglichkeit, einen neuen Kollegen oder eine neue Kollegin von dort vermittelt zu bekommen, wenn wir dann wieder suchen.“
Knapp sechs Monate ist der neue Logistikstandort in Bremen bereits in Betrieb. Die Hamburgerin hat sich inzwischen gut eingelebt und auch schon den einen oder anderen Vorteil entdeckt: „Ich finde Bremen richtig schön und muss gestehen, auch wenn Hamburg immer meine große Liebe bleiben wird, Bremen hat den schöneren Weihnachtsmarkt“, lacht sie.
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