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25.9.2017 - Anne-Katrin Wehrmann

Frische Brötchen für das Weltall

Luft- und Raumfahrt

Außerirdisches Brot

Ihr Ziel ist kein geringes: Sie wollen eine optimale Backware für die Schwerelosigkeit entwickeln und damit die astronautische Raumfahrt langfristig voranbringen. Voraussichtlich schon im kommenden Jahr wird das junge Bremer Unternehmen „Bake in Space“ zum ersten Mal im Weltraum probebacken lassen.

Sebastian D. Marcu ist Gründer und Geschäftsführer von Bake in Space.
Sebastian D. Marcu ist Gründer und Geschäftsführer von Bake in Space. © WFB/Focke Strangmann

Der Astronaut als Bäcker

Frisch gebackene Brötchen auf dem Frühstückstisch, noch warm und lecker duftend: Für viele gibt es keinen besseren Start in den Tag. Astronauten bleibt dieser Genuss bisher verwehrt, denn Backöfen im Weltall gibt es nicht. Noch nicht. Das Bremer Start-up „Bake in Space“ arbeitet daran, das bald zu ändern. Wenn alles nach Plan läuft, wird der deutsche Astronaut Alexander Gerst 2018 bei seiner Mission zur Internationalen Raumstation ISS zum ersten Mal überhaupt „außerirdische“ frische Backwaren genießen können.

Ein Stück Heimat in der Ferne

„Unser Ziel ist es, die Zukunft des Menschen im All mitzugestalten“, sagt Sebastian Marcu, Gründer und Geschäftsführer von Bake in Space. Dabei könne Brot eine wichtige Rolle spielen – sowohl für die langfristige Versorgung als auch für die Bekämpfung von Heimweh, denn mit Geschmack und Duft von frischem Brot verbänden die meisten ein Stück Heimat. Die Idee zum Projekt stammt von dem deutschen Raumfahrtingenieur Neil Jaschinski, der ebenfalls zum Team gehört und in den Niederlanden beheimatet ist, wo er die heimische Backkunst schmerzlich vermisst. Er backt daher selbst zu Hause und bringt immer wieder auch Brot von Geschäftsreisen aus Deutschland mit. „Es gibt zwei deutsche Kernkompetenzen“, meint Marcu. „Die eine ist Technologie und die andere Brot. Da wäre es doch schade, wenn wir das Backen im Weltraum den Amerikanern überlassen würden.“

Weltweite Aufmerksamkeit

Im März 2017 hat der 43-jährige Medieninformatiker sein Unternehmen mit Sitz im Bremer Innovations- und Technologiezentrum (BITZ) offiziell gegründet. Nur wenige Wochen später gewann Bake in Space bereits die ESA BIC Challenge – einen Wettbewerb, der neue Geschäftsideen mit dem Fokus auf substantiellen Fortschritt in der Kommerzialisierung der Raumfahrt fördert. Es folgte ein Bericht in der Fachzeitschrift „New Scientist“, den unterschiedliche Medien auf der ganzen Welt aufgriffen. Sogar der amerikanische Talkmaster Jimmy Kimmel machte das deutsche Weltraumbrot schon auf humorvolle Weise in seiner Sendung zum Thema. „Die Sache schlägt wirklich hohe Wellen“, erzählt Marcu. „Für uns ist es spannend zu sehen, wie groß das Interesse auch international ist.“

Selbstversorgung für lange Reisen

Hohe Wellen hat einst auch eine Geschichte aus dem Jahr 1965 geschlagen, als zwei amerikanische Astronauten ein Corned-Beef-Sandwich an Bord ihres Raumschiffes schmuggelten und aßen. Nach ihrer Rückkehr zur Erde handelten sie sich dafür einen Rüffel der Raumfahrtbehörde NASA ein, da die in der Schwerelosigkeit herumschwebenden Krümel zu einer ernsten Gefahr für Mensch und Maschine hätten werden können. Seither ist Brot im Weltall tabu, als Alternative haben sich inzwischen Tortilla-Wraps bewährt. Ansonsten besteht die Nahrung im Wesentlichen aus vorproduzierten, dehydrierten oder gefriergetrockneten Lebensmitteln. „Aber wie versorgen wir die Menschen, wenn es künftig weiter hinausgehen soll und eine Reise 500 Tage und nicht mehr ein paar Monate dauert? Das geht nur über Selbstversorgung“, ist Marcu überzeugt. „Wir sehen darum im Brot eine Lebensgrundlage für die bemannte Raumfahrt der Zukunft.“ Gebraucht werde allerdings eine möglichst krümelfreie Variante.

Ohne Spezial-Ofen geht nichts

Auf der Erde ist alles ganz einfach: Der Teig wird hergestellt, in den vorgeheizten Ofen geschoben und nach einer bestimmten Backzeit wieder herausgenommen. Im All ist die Brotproduktion hingegen ein komplexer Vorgang. Nicht nur, dass die Backware nicht krümeln darf – auch der Ofen muss andere Anforderungen erfüllen als beim irdischen Backen. So darf keine der Außenflächen wärmer als 45 Grad werden, damit sich niemand verletzt. Vorheizen ist zu gefährlich, da beim Öffnen der Tür eine heiße Luftblase entweichen würde, die sich in der Schwerelosigkeit nicht sofort mit der umgebenden Luft vermischt. An dieser unsichtbaren Blase könnten sich die Astronauten verbrennen, weswegen der Ofen auch eine aktive Kühlung für die Zeit nach dem eigentlichen Backvorgang benötigt. Weil das Brot dadurch länger im Ofen bleiben muss, ist zudem eine Befeuchtungsvorrichtung erforderlich, damit es nicht austrocknet.

Bake in Space Spezial-Ofen
Am Spezial-Ofen wird fleißig getüftelt, schließlich wird er beim Einsatz im Weltraum vor ganz besondere Herausforderungen gestellt. © WFB/Focke Strangmann

Wissenschaftler aus Bremerhaven entwickeln Rezepte

Die längere Backzeit und die geringeren Temperaturen haben Auswirkungen auf den Teig und seine Zusammensetzung. An der Rezeptur tüfteln seit Juni Wissenschaftler des Technologietransferzentrums ttz in Bremerhaven, das offizieller Partner von Bake in Space ist. „Das Projekt ist schon etwas ganz Besonderes“, berichtet Florian Stukenborg, Leiter des Fachbereichs Lebensmitteltechnologie am ttz. „So etwas macht man nicht alle Tage.“ Die große Herausforderung sei es, in vergleichsweise begrenzter Zeit parallel einen weltraumtauglichen Ofen und den dazu passenden Teig zu entwickeln. Einen ersten Prototyp zum Ausprobieren hatte Ideengeber Neil Jaschinski noch selbst gebaut. Aktuell arbeiten die Forscher mit einem Spezialgerät des Haushaltsgeräteherstellers Miele, das in den kommenden Monaten bis zum Einsatz auf der ISS optimiert werden soll. Ein weiterer namhafter Partner an Bord ist der Bremer Raumfahrt- und Technologiekonzern OHB, der die Box liefert, in die der Ofen eingebaut wird.

In der Schwerelosigkeit verändert sich der Geschmackssinn

Erste Backversuche haben Stukenborg und sein Team schon absolviert. Dabei werden die Backwaren in ein Gestell gespannt, damit sie später im All nicht durch den Ofen schweben. „Wir haben mit Brötchen angefangen, die auf einem klassischen Laugenteig basieren“, erläutert er, „weil der per se wenig krümelt.“ Nun gehe es darum, das Rezept zu optimieren und eine Haltbarkeit von mindestens sechs Monaten zu erreichen. „Unter anderem wird auch der Salzgehalt am Ende wahrscheinlich doppelt so hoch sein wie bei normalen Laugenbrötchen, weil Geschmäcke im All weniger intensiv wahrgenommen werden.“ Zu den aktuell getesteten vorgebackenen Brötchen sollen in einem zweiten Schritt auch noch gefrorene Teiglinge entwickelt werden. Und wenn dann die Zeit noch reicht, steht zusätzlich ein Sauerteig auf dem Plan. „Entscheidend ist, dass wir bei allem immer die Krümeligkeit im Blick haben“, sagt der Wissenschaftler.

Ambitionierter Zeitplan

Trotz der vielen Herausforderungen sind Stukenborg und Marcu optimistisch, dass sie den ambitionierten Zeitplan einhalten werden und Rezepte und Ofen rechtzeitig zum geplanten Einsatz fertig sind. Alexander Gerst wird Ende April 2018 zur ISS starten, der Ofen und der Teig sollen im Juni folgen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat die Versuchsreihe in die offizielle Experimente-Liste für die Mission aufgenommen: Geplant ist, dass die Astronauten an Bord insgesamt neun Backvorgänge mit unterschiedlichen Teigvarianten durchführen und anschließend mithilfe von Fragebögen deren Qualität und Geschmack bewerten.

Bake in Space Gründer Sebastian D. Marcu und sein Team arbeiten daran, dass der Ofen bereits 2018 im Weltall getestet werden kann.
Bake in Space Gründer Sebastian D. Marcu und sein Team arbeiten daran, dass der Ofen bereits 2018 im Weltall getestet werden kann. © WFB/Focke Strangmann

Getreideanbau an Bord der ISS

Sollte es am Ende doch zu eng werden und die Versuchsreihe auf eine spätere Mission verschoben werden müssen, wäre das für Marcu kein Drama. „Es geht uns ja nicht darum, einen einzelnen Astronauten glücklich zu machen, sondern die Raumfahrt langfristig voranzubringen“, betont er. Was aus seiner Sicht auf jeden Fall machbar ist: Wenn in etwa fünf Jahren der nächste deutsche Astronaut ins All fliegt, soll die Versuchsreihe erweitert werden. Dann will der 43-Jährige die komplette Wertschöpfungskette vom Getreideanbau bis zum fertigen Brot an Bord der ISS abbilden. „Das wird dann richtig kompliziert“, meint er. „Zum Beispiel wird bei der Ernte Staub aufgewirbelt, und auch die Verbindung von Mehl und Wasser wird in der Schwerelosigkeit nicht einfach. Aber auch dafür finden wir eine Lösung.“

Mehr unter: http://de.bakein.space/


Pressekontakt

Bake in Space, Sebastian Marcu, Tel.: 0176 17566909, E-Mail: sebastian@bakein.space oder

ttz Bremerhaven, Florian Stukenborg, Tel.: 0471 80934240, E-Mail: fstukenborg@ttz-bremerhaven.de


Bilddownload

Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck.

Foto 1: Sebastian D. Marcu ist Gründer und Geschäftsführer von Bake in Space. © WFB/Focke Strangmann

Foto 2: Am Spezial-Ofen wird fleißig getüftelt, schließlich wird er beim Einsatz im Weltraum vor ganz besondere Herausforderungen gestellt. © WFB/Focke Strangmann

Foto 3: Bake in Space Gründer Sebastian D. Marcu und sein Team arbeiten daran, dass der Ofen bereits 2018 im Weltall getestet werden kann. © WFB/Focke Strangmann


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