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10.8.2016 - Marlis Torka/Silke Albrecht

Einmal Weltraum und zurück – hinter den Kulissen bei der Ariane Group

Luft- und Raumfahrt

Raumfahrt made in Bremen

Was Menschen und Material im Weltraum leisten, ist beeindruckend. Ehrfürchtig verfolgen Millionen Zuschauer vor Ort und von Zuhause aus immer wieder den Start von Trägerraketen ins All. Doch was hinter den Erfolgen der Raumfahrt steht, sieht kaum ein Außenstehender. In der Bremer Airport-Stadt arbeiten Raketen-Ingenieure aktuell unter anderem an der Trägerrakete Ariane-5. Wir haben den Experten der Ariane Group über die Schultern geschaut.

Die Raumfahrt kann man wohl als die Königsklasse der Ingenieurskunst bezeichnen. Auf einem Rundgang durch das Raumfahrt-Besucherzentrum am Neuenlander Feld in Bremen können wir uns davon selbst überzeugen.

Bremen ist das Europäische Kompetenzzentrum für bemannte Raumfahrt, Weltraumrobotik und Trägerraketen. Hier leisten rund 1.000 Menschen einen wesentlichen Beitrag zu internationalen Raumfahrtprojekten wie der Internationalen Raumstation ISS, dem Weltraumlabor Columbus, dem unbemannten Raumtransporter ATV und der Ariane-5 Trägerrakete. Letztere garantiert Europas unabhängigen Zugang zum Weltall. Für die Ariane-5 ist die Ariane Group, ein Joint Venture zwischen Airbus und Safran, seit 2015 Hauptauftragnehmer (von 2003-2015: Airbus Defence and Space). Ganz neu im Portfolio ist die Entwicklung eines Servicemoduls für die bemannte Orion-Kapsel der NASA.

Oberstufe der Ariane-5 aus Bremen

Die Ariane Group fertigt derzeit die komplette Oberstufe für die Ariane-5 in Bremen. Die Oberstufe bildet zusammen mit der VEB (Vehicle Equipment Bay), dem "Gehirn" der Rakete, das sogenannte "Upper Composite" der Rakete. Sie wird mit den hochenergischen Treibstoffen Flüssigwasserstoff/Flüssigsauerstoff betrieben. Mittlerweile blickt Airbus Safran Launchers auf 72 erfolgreiche Ariane-5-Starts in Folge zurück (Stand: August 2016). Bis zu acht Mal pro Jahr verlässt eine komplett integrierte Oberstufe die Integrationshalle in Bremen.

Die Integration des Upper Composite findet im Reinraum statt, das heißt es darf nur eine bestimmte Anzahl an Staubpartikeln - in diesem Fall 100.000 auf einen Kubikmeter Luft - in dem Raum sein. Denn während der Integration können bereits Fremdkörper im Bereich von Bruchteilen eines Millimeters fatale Folgen haben. Vor dem eigentlichen Start sind Probeflüge mit den Raketen, um zu schauen, ob alles funktioniert, nicht möglich. Deshalb wird neben unzähligen Tests auch der Reinheit des Integrationsraumes eine große Bedeutung beigemessen. Gestartet wird die Ariane-Trägerrakete vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana.

Ein Stockwerk höher besichtigen wir ein Modell des unbemannten Raumtransporters ATV (Automated Transfer Vehicle) sowie der Internationalen Raumstation (ISS). Der Raumtransporter hat die ISS von 2008 bis 2015 regelmäßig mit Treibstoff, Sauerstoff, Lebensmitteln, Wasser und Ersatzteilen sowie neuer Ausrüstung versorgt. Groß wie ein Londoner Doppeldeckerbus hat der unbemannte Raumtransporter mit 28.000 km/h an die etwa Fußball-Feld große ISS angedockt. Maßstäbe, mit denen diese High-Tech-Produkte greifbarer erscheinen. In Bremen wurde der Raumtransporter gefertigt, integriert und getestet.

Notfall-Kontrollzentrum in Bremen

Weiter geht es entlang des "Planeten-Wegs", auf dem die Schwerkraft mittels gleich beladenen Tabletts auf den einzelnen Planeten simuliert wird. Gegenüber des Eingangs zum Columbus-Modul können wir einen Blick in den sogenannten Simulations- und Diagnoseraum werfen, von dem aus Ingenieure in Kontakt mit der Internationalen Raumstation stehen. Das Columbus-Kontrollzentrum befindet sich zwar in Oberpfaffenhoffen bei München, doch in Bremen bekommen die Ingenieure 24/7 alle Columbus-Daten und können jederzeit eingreifen, sollte sich eine Anomalie abzeichnen.

Auf den Monitoren im Kontrollraum springt uns auf den ersten Blick der Einsatzplan der Astronauten-Crew an Bord der ISS ins Auge. Mit diesem erhält man auf die Minute genau Einblicke in den Tagesablauf der Astronauten. Während unseres Besuchs ist allerdings gerade Schlafenszeit.

Wissenschaft im Weltall – das Columbus-Modul aus Bremen

Das ESA-Weltraumlabor Columbus hat seine Wurzeln in Bremen: Hier entwickelt und gebaut, flog das Modul an Bord des Space Shuttle Atlantis 2008 zur ISS und ist bis heute ein integraler Bestandteil der Raumstation – eine meisterhafte Ingenieursleistung. Das Weltraumlabor ist ausgelegt für Experimente unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit. In dem Columbus-Nachbau im Maßstab 1:1 kann man die verschiedenen Experimentieranlagen wie beispielsweise das Biolab sehen, in dem Versuche mit Zellen, Gewebekulturen, Mikroorganismen, kleinen Pflanzen und wirbellosen Tieren stattfinden. Im Fluid Science Lab (FSL), werden das dynamische Verhalten und andere Phänomene von Flüssigkeiten untersucht.

Ein mulmiges Gefühl überkommt uns, als wir das Modul betreten – das Gefühl heißt Platzangst. Jetzt wissen wir, wie eng es auf der ISS ist und wie organisiert dort gearbeitet werden muss. Alles hat seinen Platz im Innenraum. Ein ausgeklügeltes System aus Klappen und Schubladen, Forschungsutensilien und Racks, Befestigungsankern und Haltegriffen. Denn in der Schwerelosigkeit gibt es kein Oben oder Unten.

Astronaut wird nicht Jeder

Wer hier arbeitet, hat eine harte Schule hinter sich. Während die ISS mit kaum vorstellbaren 28.000 Kilometer pro Stunde in ca. 400 Kilometern Höhe über unsere Köpfe hinweg rast, sind bis zu sechs Astronauten an Bord, die alle 90 Minuten einmal die Erde umkreisen. Eine einjährige Grundausbildung ist der erste Schritt für angehenden Astronauten. In der darauf folgenden einjährigen Fortgeschrittenen-Ausbildung müssen sie sich bei Tests und kontinuierlichen Weiterbildungen beweisen, um eine Chance auf die Reise ins All zu bekommen. Dies kann mehrere Jahre dauern. 2008 bewarben sich mehr als 8.400 Astronautenanwärterinnen und -anwärter aus ganz Europa. Letztlich ausgewählt wurden gerade einmal sechs.

Auch in diesem Jahr wird wieder ein Kandidat für die Astronautenausbildung gesucht. Oder besser gesagt, eine Kandidatin: Das Bremer Unternehmen HE Space möchte die erste deutsche Astronautin ins Weltall schicken. Claudia Kessler, Geschäftsführerin des Personalvermittlungsunternehmens für Weltraumspezialisten hat sich zum Ziel gesetzt, die männerdominierte Branche um eine deutsche Astronautin zu bereichern.

Unser Rundgang durch die heiligen Hallen von Airbus Defence and Space ist zu Ende. Am Ausgang des Columbus-Moduls erwartet uns noch das Spacelab aus den 1980er-Jahren, "der Vater von Columbus", wie er hier liebevoll von den Mitarbeitern genannt wird. 22 Mal war das Spacelab im Weltall, nun steht es als ein Stück Weltraumgeschichte in der Spacelab-Halle in Bremen.


Weitere Informationen zu dem Unternehmen Ariane Group gibt es unter www.ariane.group, Ansprechpartnerin für das Thema Raumfahrt bei der WFB ist Dr. Barbara Cembella, Tel.: +49 (0)421 9600-340, barbara.cembella@aviaspace-bremen.de

Informationen über Bremen als Luft- und Raumfahrt-Standort finden Sie außerdem auf unserer Übersichtseite.

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